GMS 233 – Sept 2019 Entwurf eines Briefes an Graf Arco
zurück zu Veröffentlichungen von Hans Huber
Dieser Text von Hans Obermair erschien am 19.2.2021 in der Ebersberger Zeitung
Ortsplan von Frauenreuth 1812, bearbeitet von Hans Obermair
Mein Vater hieß Hans Obermair. Seine alten Freunde nannten ihn aber den „Niedermoar Hans“. Warum? Die Sache ist ganz einfach: Früher, und in ländlichen Gegenden heute noch, nannte und nennt man die Leute nach dem Hausnamen des Hauses, aus dem sie kommen. Und mein Vater stammte vom „Niedermoar“ in Frauenreuth. Dieser Hausname ist schon 1501 in den Urbaren genannt und ist sicher wesentlich älter. Wahrscheinlich hat das Kloster Tegernsee, zu dessen Verwaltung das Frauenreuter Gäu gehörte, ihren Mairhof in frühester Zeit aufgeteilt und die Teile nach ihrer Lage benannt. Ausgegangen ist man vom Dorfmittelpunkt, der Kirche. Und so nennt man in Frauenreuth heute noch diese Anwesen beim „Obermoar“, beim „Niedermoar“ (Wirt), beim „Hin- termoar“ und beim „Neumo- ar“ (zu „Noima“ verkürzt).
Diese Aufteilung könnte auf Grund von weiteren Rodungen erfolgt sein. Eine erste Rodung hat ja dem Ort den Namen „Reuth“ gegeben. Mit der bedeutend werdenden Marienwallfahrt eben dann Frauenreuth. Die fünf weiteren Anwesen, beim „Huber“, beim „Mesner“, beim „Schäffler“, beim „Rumpl“ (Schmied) und beim „Siman“ werden auf weitere Teilungen, oder Schenkungen, eventuell durch Rodungen veranlasst, erfolgt sein.
Im südlichen Bayern ist der Hofhame „Moar“ mit allen Varianten besonders häufig anzutreffen. Woher kommt der „Moar“? Reinhard Riepl schreibt: Er war Inhaber eines ganzen Hofes (nach Hoffaß) oder Verwalter eines Gutes. Das Wort selbst kommt aus den Lateinischen Major und bedeutet, der, Größere, auf Besitz und Verwaltung bezogen. So nannte man schon die Vorfahren Karl des Großen Hausmaier. Sie haben sich in der Verwaltung bewährt und hoch gedient. Der „Moar“ als der Verwaltende ist heute noch in verschiedenen Sprachen präsent. Zum Beispiel in Französisch ist der „Maire“ der Bürgermeister, oder in Englisch heißt er der „Mayor“. Im bayerischen Dialekt ist der „Moar“ zwar kein Bürgermeister, aber in der Sprache des Eisschießens derjenige, der in der um eine Person weniger besetzten Gruppe, den Fehlenden zu ersetzten hat, also zweimal dran kommt.
Der „Moar“ ist ein Name mit Bedeutung. Und so ist es nicht verwunderlich dass man zum Beispiel bei einer Einheirat oder eines sonstigen Wechsels gerne den „Moar“ mitnahm und sich nach seiner Herkunft nennen ließ. Den „Moar“ gab es bei uns vornehmlich im bäuerlichen Umfeld. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er im Laufe der Zeit auch auf Anwesen, die keine „Moargröße“ hatten, Anwendung fand, eben zum Synonym für den Bauer wurde. Wie wäre es sonst zu verstehen, dass es in Landsham gleich ein ganzes Dutzend „Moar“ gab, wie Willi Kneißl nachweist: den Niedermoar, Hintermoar, Weidachmoar, Westermoar, Radlmoar, Geßmoar, Stock- moar, Feldmoar, Neumoar, Thalmoar, Obermoar und den Straßmoar.
Hausnamen können vielerlei Entstehungsgründe haben. Zum Beispiel beim „Moar“, „Huaba“, „Lehna“ und „Häusler“ ist es die Anwesensgröße. Dann die Anwesenslage, Unter, Ober, Berg, Anger, Feld und so weiter, oft verbunden mit anderen Begriffen (z.B. Feldmoar). Häufig sind Hausnamen auch von Vornamen abgeleitet. Hier ist es in der Regel entweder der Vorname eines frühen, wenn nicht ersten Besitzers oder eines Besitzers durch Hofteilung. Kommen innerhalb eines Ortes überwiegend Vornamen als Hausnamen vor, so könnte das mit der Besiedlung zu tun haben, zum Beispiel, wenn sich eine ganze Sippe nieder gelassen hat. Ein weiterer Anlass für Vornamen: Der Grundherr ist ein Gotteshaus, dessen Hauptheiliger dem Hausnamen bestimmt: Beim „Glos“ in Steinhausen war die Nikolauskirche in Steinhausen nicht nur der Nachbar, sondern auch der Grundherr. Wenn eine Kirche oder Pfarrei Grundherr war, kommt auch „Widdumbauer“ vor, was sich im Laufe der Jahrhunderte zu „Wimmer“ zugeschliffen hat.
Auch Grund- oder Gerichtsherren können Hausnamensgeber sein, wie beim „Klinger“ oder beim „Zeller“ (Kloster Dietramszell). So auch die Herkunft des Siedler wie zum Beispiel beim „Schwabi“ .Viele Hausnamen wiedergeben den Beruf eines früheren Bewohners, natürlich in Verbindung mit allen möglichen Kombinationen (Angerl- schuster usw.) Häufig haben auf Berufe zurückgehende Hausnamen den ursprünglichen ersetzt, weil Bewohner jetzt einen Beruf ausübten und natürlich über die Berufsnennung sich einen Werbeeffekt erhofften.
Dass Hausnamen heute manchmal nicht mehr auf Anhieb zu deuten sind, hängt oft damit zusammen, weil sie heute noch im Dialekt ihrer Entstehungszeit gesprochen werden. Zum Beispiel „Moja“ (Maler). Wir nennen zwar heute noch mundartlich das malen „mojn“. Der frühere „Moja“ ist längst zum „Maler“ geworden. Aber auch beim Nachbar des Glonner Moja, beim „Frosch“ lässt sich nicht mehr die Bedeutung auf Anhieb erkennen. Die frühen „Froschn’s“ aber werden durch das Fangen von Fröschen ihren Tisch oder gar ihren Geldbeutel aufgebessert haben.
Hausnamen hatten auch rechtliche Bedeutung. Die Familiennamen änderten sich durch Heirat und Wechsel, die Verwaltung aber brauchte in einer Zeit, wo es keine Straßennamen und Hausnummern, keine Grundbücher gab, „ewige“ Namen. Und so hießen sie auch in einer Verwaltungsvorschrift.
Gräbt man heute einen alten Gegenstand aus, der 500 Jahre alt ist, so ist die Sensation perfekt. Aber unsere alten Hausnamen, die oft weit älter sind, verkommen zusehends. Obwohl sie Familien-, Besied- lungs-, Wirtschafts-, und Sozialgeschichte ersten Ranges sind. Überdies sind sie eine Quelle für die Mundartforschung. Schade, dass unsere Häuser so ihrer kulturellen Substanz beraubt werden.
Dieser Text von Hans Obermair erschien am 30.1.2021 in der Ebersberger Zeitung
Eine alte Weisheit sagt: „z´Neijahr a Hahnentritt, z´Heili Drei Kini a Hirschensprung und z´Liachtmess a ganze Stund.“. Gemeint ist der Zuwachs des Tages seit der Wintersonnenwende. Damit hat der Volksmund nicht nur der religiösen Bedeutung dieses Tages Rechnung getragen. Mit diesem zweiten Februar, 40 Tage nach Weihnachten, endete früher dieser Festkreis, eben mit der Darbringung des Jesuskindes im Tempel. Also ein hochreligiöses Fest, das bis 1912 ein gesetzlicher Feiertag war. Woher kommt der Name Lichtmeß? Von den theologische Anlässern, von denen es mehrere gibt, eher nicht. Plausibler ist das Messen des werdenden Lichts, also den länger werdenden Tag. Der Lichmeßtag ist also auch ein Lostag im Bauernjahr, verbunden mit Lichtsymbolen. Geblieben sind bis zum heutigen Tag die Kerzenweihe und die Kerzenspende.
Die Bedeutung des „Liamess´n“, wie es der Volksmund es sagte, ging aber in der bäuerlichen Welt über das religiöse weit hinaus: Die Ernte war gedroschen, die Waldarbeit im Wesentlichen getan und Feldarbeit war nicht möglich. Also ein Schnittpunkt im Bauernjahr, der geeignet war abzurechnen, um Knechte und Mägde zu entlohnen, aber diese auch gegebenenfalls zu wechseln. Bei denen es während des Jahres hieß: „Heit i´s Liachtmeß“, die sich also um einen „neuen Platz“ umschauen mussten, schien etwas „faul“ zu sein. Der Verdacht eines „Rausschmisses“ erschwerte eine Neueinstellung. Diese Fälle waren aber relativ selten. In der Regel gab es am Lichtmeßtag einen Handschlag zur Weiterbeschäftigung oder stattdessen in einzelnen Gegenden vom Bauern gar einen Wachsstock. In unserer Gegend schenkten auch die Knechte den Mägden Wachsstöcke zum Dank, dass ihnen diese das Jahr über die Kammer sauber hielten, und die Wäsche gemacht hatten. Und so konnte so manche Magd ob ihrer Dienste und Dienstjahre stolz auf eine Reihe von Wachstöcken verweisen. Eine angesehener Beitrag, zur späteren Zierde ihres „Brautkastens“.
Für die Dienstboten hatte der Lichtmeßtag seine größere Bedeutung , weil er auch Zahltag war. Da wurde dann das „Ausg´machte“ für das vergangene Jahr, das aus Geld und oder Naturalien bestehen konnte, übergeben. War da auch Gewebtes dabei, dann wurde es bei der nächsten „Stör“, also wenn die „Naderin“ wieder einmal für Tage oder Wochen auf den Hof war, zu einem schicken G´wand verwandelt, oder bei den Mannsbildern zu einem „Pfoad“ (Hemd) werden. Einzeln hatte man da am Lichtmeßtag anzutreten, um das „Seine“ in Empfang zu nehmen, vermutlich auch mit Lob oder Tadel verbunden. Nicht irgendwo, sondern in der „Kinikammer“ oben, also in der besten Stube des Hauses. Und im Raum unterhalb, so wusste es mein Vater, haben sich die Knechte einen Spaß gemacht und die Decke „aufgespreitzt“, weil da oben ja, nach ihrer Ansicht, Unmengen von Geld lagern mussten.
In der Praxis wird aber der Wunsch eines Wechsels in vielen Fällen schon deutlich vor dem Lichtmeßtag angekündigt worden sein. Zur Vermittlung gab es auch die „Verdingerinnen“, die zum Beispiel 1862 in Glonn vom Gemeinderat bestellt wurden. Dem überall tätigen „Schmusern“ traute man scheinbar nicht.
War eine Weiterbeschäftigung von einer der Seiten nicht mehr gewollt, wurde das „Dienstbüchl“ ausgehändigt, oft mit dem letzten Eintrag „war ehrlich und fleißig“.
Wer aber an Lichtmeß noch keinen „Platz“ hatte, für diese kam die Schlenkelzeit gerade recht. Während der Dienstbotenwechsel am Lichtmeßtag auch im nördlichen Landkreis Ebersberg bis in die Mitte der Fünfzigerjahre des 20. Jhd. noch Bedeutung hatte, war bei den „Draussahoizan“ das Schlenkelgeschehen nicht üblich. Die sogenannte Schlenkelwoche, mit dem Haupttag des „Schlenkelpfinsta“ also des Donnerstags, begann nach dem Lichtmeßtag und dauerte bis zum Ablauf des folgenden Sonntags. So wie am Lichtmeßtag so mussten auch am „Schlenklfpfinsta“ nur die nötigsten Arbeiten auf dem Hof verrichtet werden. Die aber, die wechselten, hatten bis zum Montag, also dem Tag des „Einstandes“ frei. Von da dürfte sich auch er Name „Schlenkeln“ ableiten: Das „Schlenzieren“, wie s bei Schmeller heißt, bedeutete Müßiggang, also Nichtstun. Und das mit dem eben ausgezahlten Jahreslohn in der Tasche. So war so mancher Wirthaustisch mit „Schlenklern“ besetzt. Dass am „Schlenklpfinsta“ in Rohrsdorf (Gemeinde Baiern) über Jahrzehnte der „Wurstball“ stattfand, passte zum vollen Geldbeutel und zum arbeitsfreien Tag.
Am „Schlenkpfinsta“, waren an größeren Orten, wie Rosenheim, Holzkirchen oder Wasserburg die Schlenkelmärkte angesagt. In der Regel wurden an diesem Tag auch traditionell Warenmärkte abgehalten. Die Verfügbarkeit des Jahreslohns aber auch das zu den Schlenkelmärkten strömenden Publikum sind hier sicher Anlass gewesen.
Der Schlenklmarkt selbst, an festen Plätzen, in der Regel Wirthäuser, abgehalten, war ausschließlich den Vermittlung von Arbeit suchenden Dienstboten und Dienstboten suchenden Bauern vorbehalten. Sicher gab es auch genug neugieriges Puplikum. Um auf sich aufmerksam zu machen, trugen die sich anbietenden Dienstboten, ein kleines Ährensträußchen am Hut. War man sich einig, wurde das „Ausg´machte“ per Handschlag besiegelt. Hinzu gab es vom Bauern ein „Drangeld“ (auch Dinggeld) an den künftigen Dienstboten, das, wenn es gegeben und angenommen wurde, ein zusätzliches Zeichen der Einigung war. Das „Drangeld“ war eine Extrazahlung und wurde nicht auf den Lohn angerechnet. Aber auch für die eben Bedungenen eine gute Grundlage um den neuen „Platz“ noch mehr oder weniger ausgiebig zu feiern.
Diese Schlenklmärkte, beziehungweise diese Art der Arbeitssuche, waren bis in die Dreißgerjahre des 20Jhd. üblich. Wenn auch mit abnehmender Tendenz. Wie es im „Oberbayern“ vom Februar 1933 heißt, werden immer mehr Dienstboten aus Niederbayern „importiert“. Und das vermutlich nicht auf Lichtmeß bezogen, sondern auch während des ganzen Jahres über. Aber auch die immer wichtiger werdenden Arbeitsämter haben Vermittlungen übernommen. Das Naziregime hatte versucht, die Schlenkelmärkte für ihre Arbeit zu nutzen: Arbeitsämter agierten jetzt auch auf den Schlenkelmärkten, und die Vorlage von Arbeitspapieren war Voraussetzung, bis dann nur mehr „von oben“ genehmigte Wechsel erlaubt waren. Aber auch der Ablauf eines Schlenkelmarktes wurde verändert. Nicht mehr das Ährensträußl auf dem Hut der Arbeitssuchenden war angesagt, sondern ein Efeublatt, Zeichen der Treue und Unsterblichkeit musste jetzt getragen werden. Und der suchende Bauer hatte einen Eichenzweig, auch Zeichen der Ewigkeit, auf dem Hut zu haben. Wenn eine „Verdingung“ vollzogen war, war ein Blatt abzuschneiden. So wie die Schlenklmärkte, so wurde auch Lichtmeß „umfunktioniert“. Das Licht spielte ja bei den „Nazis“ eine besondere Rolle.
Dieser Text von Hans Obermair erschien am 30.9.2021 in der Ebersberger Zeitung
Ab 1808 setzte die Bildung der heutigen politischen Gemeinden ein. Der gewählte Gemeindevorsteher (Bürgermeister), dessen rechte Hand bis 1904 der Lehrer als Gemeindesekretär war, waren die Träger der Verwaltung. Sitz der Verwaltung war die Wohnung des Bürgermeisters. Es ist anzunehmen, dass die Kanzlei der Gemeinde Glonn im 1838 erbauten Schulhaus, wo auch die Lehrerfamilie wohnte, untergebracht war. Die Verwaltungsaufgaben nahmen zu – Glonn wurde größer. 1899 kaufte die Gemeinde dann ein Grundstück zum Bau eines Wohnhauses mit „Feuerwehrrequisitenraum”. Es wurde 1900 vollendet.
Die Notwendigkeit für ein neues Rathaus wurde bereits 1920 gesehen, als Bürgermeister Meßner das so genannte „Surauerhaus“ mit der Fläche des Marktplatzes für die Gemeinde von Baron Büsing kaufte. Büsing war seit 1908 Eigentümer des gesamten Wirtsareals. Die Surauers betrieben dort als Mieter einen Laden und wohl auch eine „Lebzelterei”, also eine Lebkuchenbäckerei.
Das jetzt 90-jährige Rathaus wurde unter Bürgermeister Ludwig Mayer, dem „Neuwirt”, gebaut. Wie Anton Decker, der damalige Gemeindesekretär schreibt, waren die Gründe für das Bauvorhaben, die große Arbeitslosigkeit, die herrschende Wohnungsnot, und die unzureichend untergebrachte Verwaltung. Damals gab es in Glonn 60 bis 70 Arbeitslose bei 1700 Einwohnern. Ein weiterer Grund: „Die in ungenügenden Räumen befindliche Apotheke.”
Der Rathausbau war bei der Bevölkerung nicht unumstritten. Der ursprüngliche Bauplan, wurde nicht gebilligt. Wie es in einer Zeitung von damals heißt, habe dann Regierungsrat von Miller (Sohn von Oskar v. Miller) eine neue Planung entwickelt. Architekt Fleißner aus München hat diesen Vorschlag umgesetzt, die Arbeiten übernahmen Glonner Firmen.
Baubeginn war März 1931. Die Einweihungsfeier am 27. September 1931. Eine Bauzeit also, die sich auch unter heutigen Maßstäben sehen lassen kann. Höchstwahrscheinlich war bei Baubeginn die Baugrube für den Keller schon während des Winters ausgehoben worden. Dies war so üblich, weil die Gespanne der Landwirte im Winter eher zur Verfügung standen.
Für den Rathausbau wurden 90 000 Mark veranschlagt. 50 000 standen als Eigenkapital zur Verfügung, 20 000 gab es an öffentlicher Wohnbauförderung und 20 000 kamen aus Darlehen. Die Gesamtbaukosten beliefen sich letztlich auf 84 896,83 Mark – dass ein Bau unter den projektieren Kosten bleibt: heute ein Kuriosum.
Bei der Einweihungsfeier am 26. September, war es selbstverständlich, dass die Feier mit einem Festgottesdienst begann. Dann der kirchliche Weiheakt im neu erbauten Rathaus. Die Ansprachen von Pfarrer Schrall und Bürgermeister Mayer standen im Mittelpunkt der Feierlichkeiten. Aber auch Kinder kamen mit Gedichten zu Wort. Der kleine „Reiserfranzl”, der in diesem Haus dann drei Jahrzehnte als Marktgemeinderat wirkte, sage etwa ein Gedicht auf. Der „Tag des Herrn”, vom Männerchor intoniert, beschloss dann den offiziellen Teil der Feier. Beim gemeinsamen Essen im „Neuwirt” war die „Tafelkapelle” unter der Leitung des Bürgermeisters zu hören.
Die Amtsräume mit Sitzungssaal waren im Erdgeschoss untergebracht. Im Ober- und Dachgeschoss waren die Wohnungen. Im südlichen Teil des Baues befand sich bis 1973 die „Hubertusapotheke”.
Das Rathaus beherbergte aber nicht nur die Amtsräume, Wohnungen und die Apotheke, sondern im Dachgeschoss von 1945 bis 1964 auch eine Entbindungsstation. Viele Glonner kamen dort zur Welt. Während das Rathaus sein Äußeres seit der Bauzeit weitgehend wahren konnte, hat sich innen viel verändert. Die Gebietsreform ab Mitte der 1970er-Jahre macht Glonn ab dem 1. Mai 1978 zum Sitz der Verwaltungsgemeinschaft. Anstatt der bisher fünf Mitarbeiter mussten jetzt 17 aus der gesamten Verwaltungsgemeinschaft untergebracht werden. Noch unter Bürgermeister Michael Singer wurde der Umbau begonnen. Nach einem Aufwand von rund 1,3 Millionen Mark erhielt das Haus seine jetzige innere Gestaltung. Die Einweihung fand unter dem neuen Bürgermeister Martin Sigl am 30. September 1978 statt – fast auf den Tag genau 47 Jahre nach dem Neubau von 1931.
Nächster Artikel mit Bildergalerie: Happy Birthday Rathaus
Dieser Text von Hans Obermair erschien am 19.2.12021 in der Ebersberger Zeitung
Mein Vater hieß Hans Obermair. Seine alten Freunde nannten ihn aber den „Niedermoar Hans“. Warum? Die Sache ist ganz einfach: Früher, und in ländlichen Gegenden heute noch, nannte und nennt man die Leute nach dem Hausnamen des Hauses, aus dem sie kommen. Und mein Vater stammte vom „Niedermoar“ in Frauenreuth. Dieser Hausname ist schon 1501 in den Urbaren genannt und ist sicher wesentlich älter. Wahrscheinlich hat das Kloster Tegernsee, zu dessen Verwaltung das Frauenreuter Gäu gehörte, ihren Mairhof in frühester Zeit aufgeteilt und die Teile nach ihrer Lage benannt. Ausgegangen ist man vom Dorfmittelpunkt, der Kirche. Und so nennt man in Frauenreuth heute noch diese Anwesen beim „Obermoar“, beim „Niedermoar“ (Wirt), beim „Hintermoar“ und beim „Neumoar“ (zu „Noima“ verkürzt).
Diese Aufteilung könnte auf Grund von weiteren Rodungen erfolgt sein. Eine erste Rodung hat ja dem Ort den Namen „Reuth“ gegeben. Mit der bedeutend werdenden Marienwallfahrt eben dann Frauenreuth. Die fünf weiteren Anwesen, beim „Huber“, beim „Mesner“, beim „Schäffler“, beim „Rumpl“ (Schmied) und beim „Siman“ werden auf weitere Teilungen, oder Schenkungen,Im südlichen Bayern ist der Hofhame „Moar“ mit allen Varianten besonders häufig anzutreffen. Woher kommt der „Moar“? Reinhard Riepl schreibt: Er war Inhaber eines ganzen Hofes (nach Hoffuß) oder Verwalter eines Gutes. Das Wort selbst kommt aus den Lateinischen Major und bedeutet, der Größere, auf Besitz und Verwaltung bezogen. So nannte man schon die Vorfahren Karl des Großen Hausmaier. Sie haben sich in der Verwaltung bewährt und hoch gedient. Der „Moar“ als der Verwaltende ist heute noch in verschiedenen Sprachen präsent. Zum Beispiel in Französisch ist der „Maire“ der Bürgermeister, oder in Englisch heißt er der „Mayor“. Im bayerischen Dialekt ist der „Moar“ zwar kein Bürgermeister, aber in der Sprache des Eisschießens derjenige, der in der um eine Person weniger besetzten Gruppe, den Fehlenden zu ersetzten hat, also zweimal dran kommt.
Der „Moar“ ist ein Name mit Bedeutung. Und so ist es nicht verwunderlich dass man zum Beispiel bei einer Einheirat oder eines sonstigen Wechsels gerne den „Moar“ mitnahm und sich nach seiner Herkunft nennen ließ. Den „Moar“ gab es bei uns vornehmlich im bäuerlichen Umfeld. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er im Laufe der Zeit auch auf Anwesen, die keine „Moargröße“
Bauer wurde. Wie wäre es sonst zu verstehen, dass es in Landsham gleich ein ganzes Dutzend „Moar“ gab, wie Willi Kneißl nachweist: den Niedermoar, Hintermoar, Weidachmoar, Westermoar, Radlmoar, Geßmoar, Stock- moar, Feldmoar, Neumoar, Thalmoar, Obermoar und den Straßmoar.
Hausnamen können vielerlei Entstehungsgründe haben. Zum Beispiel beim „Moar“, „Huaba“, „Lehna“ und „Häusler“ ist es die /\nwe- sensgröße. Dann die Anwesenslage, Unter, Ober, Berg, Anger. Feld und so weiter, oft verbunden mit anderen Begriffen (z.B. Feldmoar). Häu- es in der Regel entweder der Vorname eines frühen, wenn nicht ersten Besitzers oder eines Besitzers durch Hofteilung. Kommen innerhalb eines Ortes überwiegend Vornamen als Hausnamen vor, so könnte das mit der Besiedlung zu tun haben, zum Beispiel, wenn sich eine ganze Sippe niedergelassen hat. Ein weiterer Anlass für Vornamen: Der Grundherr ist ein Gotteshaus, dessen Hauptheiliger dem Hausnamen bestimmt: Beim „Glos“ in Steinhausen war die Nikolauskirche in Steinhausen nicht nur der Nachbar, sondern auch der Grundherr. Wenn eine Kirche oder Pfarrei Grund Laufe der Jahrhunderte zu „Wimmer“ zugeschliffen hat.
Auch Grund- oder Gerichtsherren können Hausnamensgeber sein, wie beim „Klinger“ oder beim „Zeller“ (Kloster Dietramszell). So auch die Herkunft des Siedler wie zum Beispiel beim „Schwabi“. Viele Hausnamen wiedergeben den Beruf eines früheren Bewohners, natürlich in Verbindung mit allen möglichen Kombinationen (Angerl- schuster usw.) Häufig haben auf Berufe zurückgehende Hausnamen den ursprünglichen ersetzt, weil Bewohner jetzt einen Beruf ausübten und natürlich über die Berufsnennung sich einen Wer- manchmal nicht mehr auf Anhieb zu deuten sind, hängt oft damit zusammen, weil sie heute noch im Dialekt ihrer Entstehungszeit gesprochen werden. Zum Beispiel „Moja“ (Maler). Wir nennen zwar heute noch mundartlich das malen „mojn“. Der frühere „Moja“ ist längst zum „Maler“ geworden. Aber auch beim Nachbar des Glonner Moja, beim „Frosch“ lässt sich nicht mehr die Bedeutung auf Anhieb erkennen. Die frühen „Froschn’s“ aber werden durch das Fangen von Fröschen ihren Tisch oder gar ihren Geldbeutel aufgebessert haben.
Hausnamen hatten auch rechtliche Bedeutung. Die Familiennamen änderten sich durch Heirat und Wechsel, die Verwaltung aber brauchte in einer Zeit, wo es keine Straßennamen und Hausnummern, keine Grundbücher gab, „ewige“ Namen. Und so hießen sie auch in einer Verwaltungsvorschrift.
Gräbt man heute einen alten Gegenstand aus, der 500 Jahre alt ist, so ist die Sensation perfekt. Aber unsere alten Hausnamen, die oft weit älter sind, verkommen zusehends. Obwohl sie Familien-, Besied- lungs-, Wirtschafts-, und Sozialgeschichte ersten Ranges sind. Überdies sind sie eine Quelle für die Mundartforschung. Schade, dass unsere Häuser so ihrer kulturellen Substanz beraubt werden.
Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 30.6 2021 in der Ebersberger Zeitung
Schicksalsfrage: Die Stifter der Votivtafel in Frauenreuth bitten die Muttergottes, dass
ein Wurf von 22 Ferkeln überlebt – eine ungewöhnlich hohe Zahl. Das Schicksal des wertvollen Viehs war der Familie ein großes Anliegen. Repro: hog
In der Kirche von Frauenreuth sehen wir ein Votivbild, das auch in die Literatur Eingang gefunden hat: Lena Christ verewigt es in ihrem Roman „Mathias Bichler”. Für sie, die gebürtige Glonnerin, gehörte dieses Votivbild sozusagen zu ihren Kindheitserinnerungen – bewusst oder unbewusst. Jedenfalls kann es die 1909 erschienene Glonner Chronik des Johann Niedermair gewesen sein, die die Dichterin auf die literarische Verwendungsmöglichkeit von Glonner Geschichten aufmerksam machte. Niedermair ist ein Glonner Bauerssohn und feiert 1909 als 34-Jähriger dort seine Primiz. Übrigens: Vieles was in der „Niedermairchronik” aufgeschrieben ist, wie zum Beispiel viele Glonner Hausnamen, fand in Lena Christs Werk Eingang, wenn in der Regel auch anders verortet.
Jetzt aber zum Votivbild: Es wurde 1720 von den Müllers- und Bauerseheleuten „zum Steinmüller” im Glonner Mühltal gestiftet. Der Stiftungszweck ergibt sich aus dem Text (siehe Zitat).
Mit dem Votivbild von 1720 bittet der Steinmüller Servatius Wäsler und seine Frau Gott und die Gottesmutter von Frauenreuth, dass ihm alle Frischlinge, also junge Schweine, durchkommen, also nicht vorzeitig verenden. Mit dieser Tafel wolle er eine Heilige Messe und ein Opfer in den „Stock” (Opferstock) versprechen und seinen ewigen Dank zum Ausdruck bringen. Mit dem „Amen” am Schluss bekräftigt er seine Bitte und seinen Dank.
Auf dem Bild sehen wir die knienden Steinmüllers in zeitgenössischer Tracht. Die Rosenkränze sind sicher zu groß dargestellt, aber kleiner war es auf dem Bild schlecht möglich. Die abgebildete Schweineherde soll sicher nicht die „Frischlinge” darstellen, sondern gewissermaßen das „ausgewachsene Endergebnis”, um das man ja gebangt und weswegen man sich verlobt hatte. Die Bäume am rechten Bildrand dürften Eichen sein, denn deren Früchte waren eine Futterbasis für die damalige Schweinemast (Dechelmast).
Die Qualität des Bildes spricht dafür, dass es von einem Profi stammt. Es ist eines der besser gemalten von den Frauenreuther Votivbildern. Und so wird es auch mehr gekostet haben, als üblich. Eine Müllerfamilie konnte sich das eher leisten. Infrage kommen vielleicht
die Maler Möschl, wohl aus Tirol, und Zäch, eventuell aus Benediktbeuern. Aber auch ein Mitglied der Malerfamilie Beham, die 1718 nach Herrmannsdorf zugezogen ist, könnte es gewesen sein.
Die in dem Bild genannten Wäslers sind eine Glonner Müllerfamilie, die wir im Laufe der Zeit auf verschiedenen Glonner Mühlen schon vor 1600 und bis heute finden. Das heute noch mundartlich gesprochene „Wasler”, könnte auf den Ursprung des Namens „die Wassler”, also die am oder mit dem Wasser arbeiten, hindeuten.
Ein 1693 geborener Franz Steinmüller, seines Zeichens Zimmermann und „Architektus”, war Bruder des Votanten Servatius Wäsler, der 1708 die Bauerntochter Ursula Rumpl aus Hafelsberg heiratete. Das dürfte die Frau auf dem Votivbild sein. 1757 wechselte der Familiennamen durch Heirat in Mühltaler – bis heute.
Den Anlass für das Votivbild erfahren wir aus dem Bild selbst. Was auffällt, ist die Zahl der „Frischlinge” – 22. In keinen anderen Unterlagen lässt sich auf einem Glonner „Sach”, auch nicht auf „ganzen” Höfen, des 17. und 18. Jahrhunderts eine solch hohe Zahl finden. Der Steinmüller als „Viertelhöfler” hatte nach dem Steuerbuch von 1671 nur eine „Schweinsmutter” (Muttersau) mit sieben Frischlingen – und damit schon einen überdurchschnittlichen Schweinebestand. Nimmt man das Wurfergebis von 1671, hätte man 1720 drei Sauen und das mit ähnlicher Wurfzeit haben müssen. Für einen „Viertelhöfler” eher auszuschließen.
Es kann also nur die Mühle gewesen sein, die diesen hohen Schweinebesatz erlaubte. Möglicherweise ist diese Angst um ihre „Frischlinge” durch eine Seuche wie den „Rotlauf’ (die heutige Schweinepest ist erst seit 1833 dokumentiert) bedingt. Aber vielleicht war es auch nur die generelle Sorge um diesen eventuell unerwarteten Schweinesegen.
Zurück zu Lena Christ: „Mathias Bichler”, der Roman, der sich um 1800 im oberen Leitzachtal abspielt, erschien 1914. Er handelt vom Findelkind „Mathiasl”, der auf Wanderschaft den Maler Beham – auch ein Glonner Name – trifft. Ihm hat eine Kundin einen Auftrag gegeben: Sie will der Gottesmutter von Ebbs ihren Dank abstatten, weil von einer Sau alle 22 Frischlinge durchgekommen sind. Vorbild für diese Geschichte war sicher das Votivbild von 1720 in der Frauenreuther Kirche – ein weiterer Beweis, wie unzertrennlich Lena Christ und Glonn Zusammenhängen.
Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 7.12.2021 in der Ebersberger Zeitung
Es muss sie gegeben haben, eine Römerstraße von Helfendorf in den Norden des Landkreises Ebersberg. In Kleinhelfendorf wo die „Via Julia” südlich (Grünwald) von München nach Augsburg verläuft, muss diese abgezweigt sein. Die „Via Julia” ist heute noch gut erkennbar, zumindest in der Gemeinde Aying. Auch in der Ayinger Schule haben wir das so gelernt. Demnach führte sie an unserer Wiese vorbei. Und so grub ich beim Hüten der Kühe mit Taschenmesser und Händen in den Damm in der Hoffnung, römische Soldaten könnten für mich etwas verloren haben. Gefunden habe ich nichts – außer Freude und Ansporn, mich mit Geschichte zu befassen. Bis auf den heutigen Tag!
Die Römerstraßen im Landkreisnorden sind weitgehend bekannt, (siehe HAB Dr. Mayr Gottfried Seite?). Es war die Straße, die Augsburg mit Wels (Oberösterreich) verband und den Ebersberger Forst durchquerte. Die Hauptstrecke führte (OBB. Archiv Band 130 Hans Baur Seite 67) über „Bra- tananium” (Pretzen im LK Erding) über „Ambra” (Dachau) nach Augsburg.
Die Römerstraße, die die heutigen Gemeinden Hohenlinden, Anzing, höchstwahrscheinlich über Froschkern nach Neufarn, und Poing durchquerte (HAB), führte weiter nach Poing, Gelting, Finsing, und Neuching nach Freising. In Neufarn könnte ein Abzweig über Aschheim zum Isarübergang in Oberföhring gewesen sein.
Wo diese Trasse verlaufen ist, ist offen. Möglicherweise über Grub und Feldkirchen, wo Emmeram, der 652 in Kleinhelfendorf sein Martyrium erlitt, und auf dem Transport über Aschheim nach Regensburg verstarb. Die vermutete Römerverbindung von Helfendorf nach wahrscheinlich Neufarn, und weiter nach Feldkirchen, könnte also der Weg des schwer verwundeten Emmeram gewesen sein. Aber es gibt für diese Trasse nur Indizien.
Kreisheimatpfleger Thomas Warg berichtet uns (siehe EZ vom 24.8.2021), dass das gesuchte Teilstück (Helfendorf – Neufarn) die „Via Julia” mit der Römerstraße von Wels nach Augsburg im Norden des Ebersberger Forstes verbunden haben soll.
Eventuell ist die „Gesuchte” ab Aying am Ostrand der Schotterebene verlaufen. Nachdem Straßen, damals wie heute, nicht nur gebaut, sondern auch unterhalten werden mussten, waren hierzu „Villa Rustikas” angelegt. Eine könnte das nachgewiesene römische Gehöft in Oberseeon, oberhalb des Steinsees, gewesen sein. Also könnte sich die gesuchte Straße in der Nähe befunden haben. Zum Beispiel bei Pframmern, dessen Namen auf die Römer zurückgeht. Wenn man aber die Geländeskizze im Südlichen
Landkreis (mit den Schotter- und Lehmvorkommen) auch betrachtet, wäre auch ein Römerstraßenverlauf Kleinhelfendorf-Münster-Schlacht-Steinsee (Niederseeon)-Pframmern gut möglich. Damit wäre man ganz in der Nähe von Oberseeon gewesen.
Pframmern liegt aber auch an der Grenze zwischen dem besagten Moränenzug Oung-Altmoräne) und der sogenannten Schotterebene (Kiesboden), die früher als „Perlacher Haid”, nicht als besonders fruchtbar galt. Es muss eine Graslandschaft gewesen sein, die, wenn überhaupt, nur für die Schafweide taugte. Um aufkommendes Gehölz wird sich sicher der hohe Wildbestand gekümmert haben. Die „Perlacher Haid” war für den damaligen Ackerbau also nicht geeignet. Und so wird wohl eine Besiedlung der Moränenlandschaft an der Grenze zur Schotterebene, natürlich an oder in der Nähe einerStraße, bevorzugt worden sein: Hier waren die besseren Ackerbaumöglichkeiten, darauf stehend das erforderliche Bauholz, und das alles in der Nachbarschaft der wildreichen „Perlacher Haid”, die auch die „hohe Jagdherrschaft” zu schätzen wusste.
Wenn wir uns die Landkarte anschauen, hat das Aufeinandertreffen dieser beiden Landschaftsformen, die nur im Zornedinger Raum zweimal kurz unterbrochen ist, zu einer Kette von Orten geführt.
Beginnen wir in Aying, unweit von Helfendorf. Dann geht die Reihe weiter über Egmating, Orthofen, Pframmern, Wolfersberg, Zorneding, Ingelsberg, Purfing, Neufarn und weiter nach Poing, Ottersberg, Gelting-Pliening, Finsing und Neuching im Erdinger Land. Auf die Möglichkeiten eines möglichen teilweisen Verlaufes im Süden wurde schon hingewiesen.
Diese uralten Orte sind damals wie heute durch eine Straße verbunden. Übrigens: Aschheim und Neuching, sind zwei wichtige Orte, wo 755 und 771 Synoden der Agilolfinger zur Ergänzung des „Lex Bauivariorum” stattfanden.
Diese beiden Orte wurden sicher ausgewählt, weil sie an bedeutenden Straßen lagen und dies mit entsprechenden Beherbergungsmöglichkeiten. Eine Weiterführung von Neuching nach Freising, der Herzogs- und ersten Stadt des südlichen Bayern und seit 739 Bischofsitz, ist festgestellt. Und so ist es gut möglich, dass Bischof Hitto aus Freising, der im Januar 813 die Kirchen in Gelting und Georgenberg eingeweiht hatte, auf dieser Straße angereist ist.
Ob es sich bei der „Gesuchten” ganz oder teilweise um die Römerstraße, oder um die Vorgängerstraße aus dem ersten Jahrtausend oder um früh
mittelalterliche Wege handelt, ist (noch) nicht bekannt. Sollte es eine Römerstraße gewesen sein, wäre dies logisch. Für den bewährten römischen Straßenbau brauchte man sowohl faustgroße Steine als auch Kiesel verbunden mit Lehm. Diese Materialien waren in der Schotterebene als auch in den Moränen reichlich vorhanden. Also keine oder kaum aufwendige Transporte.
Diesen „pekuniären” Vorteil berücksichtigten die Römer sicher bei der Trassenwahl. Von ihnen stammt ja der Spruch „Pekunia non ölet”, also „Geld stinkt nicht”. Aber natürlich nur, wenn es nicht ausgegeben war.
Möglicherweise sind einige Orte mit dem Entstehen der Straße entstanden. Andere wieder, weil diese da war. Die an der vermuteten Trasse liegenden Orte haben alle mindestens ein Anwesen mit dem Hausnamen „Moar”. Der „Moar” war häufig nicht nur der größte Hof eines Ortes, sondern womöglich auch der Erste. Eventuell war bei einigen eine „Villa-Rustika” der Anfang.
Diese Straße wird größtenteils knapp unterhalb der Moränenhänge gewesen sein um Steigungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Da Hänge natürlich nach unten erodieren und die flachen Schotterböden nicht nach oben, könnte diese alte Straße meterhoch überschüttet sein. Man kann es ja auch beobachten, dass landwirtschaftliche Flächen, die direkt an einem Hang liegen, mit Erosionsmasse vom Hang her überdeckt sind. Vielleicht können bei tieferen Baugruben unterhalb eines solchen Hanges doch noch Straßenreste entdeckt werden.
Der ganze „kriminalistische” Sachverstand von Generationen von Historikern, Archäologen und Heimatkundlern hat bisher nicht ausgereicht, sozusagen „die Straßen-Leiche” zu entdecken. Und so muss die Suche, auch die nach Indizien, weitergehen, bis vielleicht einmal „Kommissar Zufall” den Fall löst.
Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 18.11.2021 in der Ebersberger Zeitung
Zumindest in den monotheistischen Religionen sind Schafe Opfertiere, eben weil sie für den Menschen einen hohen Stellenwert hatten. Die Einheit und Abhängigkeit von Hirte und Herde hat besonders in den christlichen Religionen hohe symbolische Aussagekraft: Der „gute Hirte” ist Vorbild und Schutz für den Menschen.
Das Viernutzungstier Schaf (Fleisch-Wolle-Leder und Milch) ist, besonders auch für landwirtschaftlich weniger attraktiven Böden bestens geeignet. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie auch in unserer heutigen Landwirtschaft als Nutztiere vorkommen. Schafe waren auch bevorzugtes Leihobjekt. In der Steuerbeschreibung von 1671 ist dies des Öfteren aufgeführt. Die Schur der Wolle war sozusagen die „Leihgebühr”. Entleiher waren oft Wirte oder Metzger, die mehr am Fleisch als an der Wolle interessiert waren. Überdies waren Schafe leicht zu transportieren, denn sie liefen selbst. Schafe waren auch für die kleinteiligen Fluren früherer Zeiten, als noch Dorfhirten den Viehbestand eines Dorfes mit versorgten. Also nach Ernte der Sommerung und Winterung, als auch für die jedes dritte Jahr anfallenden Brache, geeignete Weidetiere. Sie fanden ihre Nahrung auch noch auf Flächen, die von Rindern bereits genutzt waren und so auch „Spezialisten” für Reste. Dies galt auch für Futterreste auf den Anwesen. Ihr Viermägen-Wiederkäuer-System begünstigt dies.
Die kleinteilige Schafhaltung gab es durch alle Zeiten. Besonders von kleineren Betrieben gepflegt und besonders in „schlechter” Zeit, wo Eigenversorgung einen hohen Stellenwert hatte.
Zur bäuerlichen Schafhaltung auf den einzelnen Anwesen gibt es die Wanderschäferei. Es sind dann schon einige Hundert Tiere, die eine Herde bilden. Diese Art der Haltung, die ja auf wesentlich größere Flächen angewiesen ist, ist wesentlich jünger als die traditionell bäuerliche. Sie ist nicht Zubetrieb sondern Hauptbetrieb. In Zeiten und Gegenden wo die Wanderschäferei nicht in den Ablauf der Landwirtschaft passt, ist diese auf Stallhaltung angewiesen. Es sei denn, es gab genügend große, nicht landwirtschaftlich genutzte Weideflächen, wie zum Beispiel einen Flughafen. So war es auf dem Gelände des alten Flughafen Riem. Hier ging es vorrangig um Landschaftspflege.
Die Wanderherde gehörte ab den Tagen des Herbstes sozusagen zum Landschaftsbild. Musste man in ein neues Weideland „umgetrieben” ging das in der Regel über öffentliche Straßen – wenn auch mit Behinderung des Verkehrs. Die Weide bildete zunächst der sogenannte „Sograt”, das waren die Halme der auf abgeernteten Getreideflächen aufgegangenen Körner. Dann, und das bis in den November hinein, Wiesen, entweder nach dem letzten Schnitt oder nach der Weide durch die Rinder.
Die Wanderschäferei in den 1950er Jahren kenne ich aus eigenem Erleben in Ottersberg. Schafe waren hier nichts Neues: Beim Wirt in Ottersberg gab es zum Beispiel einen Gebäudeteil, den man den „Schafstall” nannte. An einen Schafbestand auf einzelnen Anwesen kann ich mich nicht mehr erinnern.
Also zur Wanderschäferei: Der Maier Schorsch aus Eicherloh fragte schon früh genug, eventuell schon am Ende der vorigen Saison, beim Ortführer, dem „Sprunkmoar”Taddäus Burghart, ob er im kommenden Herbst wieder auf der Ottersberger Flur „auftreiben” dürfe. Wenn es dann soweit war, kam er mit seinen 300 bis 400 Schafen und seinen zwei Hütehunden auf die Ortsflur. Sein Schäferkarren, in dem er dann übernachtete, stand schon auf dem vereinbarten Feld. In der Nähe stellte er seinen „Pferch”, das war ein versetzbares Zaungeviert, etwa 20 mal 20 Meter -, auf, in dem seine Schafe bei der Nacht eingesperrt wurden. Dort machten sie viel Mist. Diese Düngung musste dem Bauern etwas wert sein. Und so wurde alle 14 Tage beim Wirt der „Pferch” für die nächsten zwei Wochen versteigert. Das konnten an zum Beispiel die 30 Mark sein, die in die Ortskasse einbezahlt wurden.
Aus dieser Ortskasse wurden dann Aufgaben des Ortes, zum Beispiel die Instandhaltung der Wege, finanziert. Zu diesen Arbeiten, die man „Schar- werch” nannte, sagt der Ortsführer von Haus zu Haus ein und alle kamen. Die größeren Bauern mit Mann und Fuhrwerk und die kleineren mit Rechen und Schaufeln. Zum Aufladen des Kieses leistete man sich schon damals einen Bagger vom „Pfarrerbauern” in Lands-ham. So wurden die Wege des Ortes instand gehalten. Eine Brotzeit wurde natürlich auch finanziert.
Am Ende der Herbstsaison stiftete der Maier Schorsch einen geschlachteten Hammel. Die Wirtin verarbeitete diesen zu einem Ragout. Natürlich mit Knödel und Zutaten. Für die Wirtin dürfte es nicht immer leicht gewesen sein, diesen mehr oder weniger alten Hammel zu einem „Schmaus” zuzubereiten. Alle, die Grundstücke in der Ottersberger Flur hatten, waren zu diesem Essen beim Saisonausklang eingeladen und alle kamen. Letzte Wanderschäfersaison dürfte um 1960 gewesen sein. So wie sich die Landwirtschaft seither stark verändert hat, war es auch bei der Schäferei.
Heute ist der Wanderschäfer nicht mehr in erster Linie Fleisch- und Wolllieferant, sondern Landschaftspfleger. Auch das Umsetzen in ein anderes Gebiet erfolgt nicht mehr „zufuß”, sondern mit entsprechenden Fahrzeugen. Die Globalisierung hat sich auch in diesem uralten Gewerbe ausgewirkt. Schaffleisch- und Wolle aus aller Welt wurde zum Standard. Schade! Und das nach Jahrtausenden allein heimischer Schafhaltung
Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 19.5.2021 in der Ebersberger Zeitung
Wahrscheinlich war unser Gebiet ursprünglich Fiskalland, also Land, das im staatlichen Eigentum war, das dann im Zuge der Entwicklung des Christentums zu einem guten Teil an Klöster und kirchliche Einrichtungen (hat sich durch Schenkungen erhöht), und auch an den Adel, als „Obereigentum” übertragen wurde. Ein Teil bleibt beim Landesherrn. Im geringen Maße gab es auch Eigentum des Nutzers im heutigen Sinn. Das „Obereigentum”, das ursprünglich auch Gerichtsrechte umfasste, wurde überwiegend von „Hintersassen” als Lehen (nur Nutzungsbesitz) bewirtschaftet. Im Gegenzug mussten an den Grundherrn verschiedene Leistungen wie Scharwerk, Geld- und/oder Naturalabgaben erbracht werden. Bei Nutzer- oder Herrenwechsel konnte eine extra Abgabe (Laudemien) anfallen. Im Falle eines Unglücks, wie Feuer, Hagel Seuchen oder Trockenheit gab es die Hilfe der Grundherren.
Die Leihformen (Lehen) zwischen Nutzer und Eigentümer waren vielfältig. So gab es z.B. das Erbrecht, das auf die Nachkommen übergehen konnte, das Leibrecht war auf das Leben des Untereigentümers abgestellt und die Neustift auf die Lebenszeit des Grundherren. Dann gab es auch Zwischenformen unterschiedlicher Art. Wahrscheinlich waren die kirchlichen Obereigentümer nicht nur die meisten, sondern auch die beliebtesten. Ihre „Oberen”, wie Äbte und Pfarrer, stammten ja häufig aus dem Bauernstand und wussten aus eigenem Erleben, was Wohl und Wehe bedeutet. Das damalige Sprichwort „unterm Krummstab ist gut leben” bringt dies zum Ausdruck.
Erfüllte ein Hintersasse seine Aufgabe nicht, konnte er „abgestiftet” werden, das heißt, er musste gehen. Dies war aber sehr selten der Fall. Wenn es zu einem Familienwechsel auf einem Anwesen kam, dann in der Regel deswegen, weil keine Nachkommen vorhanden waren. Und so bewirtschafteten nicht wenige Familien über Jahrhunderte das gleiche Anwesen. Erst mit der sogenannten „Bauernbefreiung” im Jahre 1848 gab es dann endgültig für alle uneingeschränktes Eigentum, das natürlich auch verkauft werden konnte. Die Gegenleistung war Ablösung und/oder Bodenzins.
Die Anwesensgrößen waren gestaffelt in Höfe (1/1), Huben (1/2), Lehen (1/4) und Sölden (1/8). Hinzu kamen „Leerhäuser”, in der Regel 1 /16-Anwesen. Das Kriterium für die Zuordnung war nicht eine bestimmte Fläche, sondern die Ertragskraft des Gutes. Dieses sogenannte Hoffußsystem, das für ganz Altbaiern galt, war über Jahrhunderte eine Besteuerungs- und Abgabengrundlage für die Landes-, Gerichts-, Grund- und Pfarrherren. Die einzelnen Anwesen waren in Urbaren oder Saalbüchern aufgezeichnet und beschrieben. Da die Grundstücke nicht vermessen waren, wurde der Grundstücksnachbar als Anrainer genannt. Damit waren Lage und Größe bestimmbar. Weitere Aufzeichnungen bestanden z.B. als Steuerbücher, Feuerstättenbücher, Hofanlagen- und Scharwerksverzeichnisse. Erst mit der Anlage von Hypotheken- und Grundbüchern zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es dann Plan- und Hausnummern.
Vorher war der Haus- oder Hofname, der Familienname konnte ja wechseln, für die Verwaltung der Anwesen das gängige Ordnungsmerkmal.
Die rechtliche Struktur ist mit der heutigen nicht zu vergleichen. Zwei Nachbarn konnten zum Beispiel verschiedenen Gerichtsherrn, wenn auch mit gleichen Rechtsnormen, unterstellt sein. Es gab die Hochgerichtsbarkeit („Malefizhändel”z.B. Mord/Notzucht/Diebstahl), diese hatte in der Regel der Landesherr inne, der sie über seine Landgerichte ausübte. Für unser Gebiet war das Gericht Schwaben zuständig. Das Recht der Niedergerichtsbarkeit (kleinere Vergehen) wurde häufig von sogenannten Hofmarken (geschlossene oder offene) ausgeübt, wie zum Beispiel Zinneberg eine war. Bei geistlichen Hofmarken war ein weltlicher Vogt zuständig. War der Hofmarktsherr- bzw. Richter oder das Objekt zu weit entfernt, konnte er das Gerichtsrecht z.B. auf eine fremde Hofmark übertragen. Das Kloster Dietramszell, das in der Gemeinde Glonn einiges an Obereigentum und niederer Gerichtsbarkeit innehatte, hatte z. B. sein Recht in dieser Gegend an Zinneberg (Pienzenauer) übertragen.
Unterste „Behörde” des Gerichtsherrn war die Hauptmannschaft, die ursprünglich für militärische Zwecke eingeführt, und für je zehn Anwesen eingerichtet war. Mehrere Hauptmannschaften konnten zu „Obmannschaften” zusammen gefasst sein. Dieses Rechtssystem bestand bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Besonders niedere Gerichtsbarkeiten waren des Öfteren in Händen der Grundherren. Der oberste Gerichtsherr war natürlich über seine Gerichte der Landesherr.
Der Pfarrherr war in erster Linie für das Kirchenwesen und für die örtliche Gemeinschaft zuständig und wohl der „Herr” im Ort. Die Bezeichnung „Insa Herr” für den Ortspfarrer bis ins letzte Jahrhundert üblich, mag daran erinnern. Über die Religion hatte er den größten Einfluss auf das tägliche Leben. Zudem war er auch der „Herr”, der am nächsten war. Über seine Pfarrei, war er für das Bildungswesen zuständig. Ebenso für Kranken- und Armenpflege und gegebenenfalls für den Dorfhirten, wenn sonst kein Träger, wie z.B. eine Hauptmannschaft, vorhanden war.
Träger einzelner Aufgaben konnte auch eine Bruderschaft sein, in Glonn z.B. die Armenseelenbruderschaft. Zur Finanzierung dieser Aufgaben mussten neben den grundherrlichen Einnahmen, soweit die Kirche auch Grundherr war, auch „Zehent”, das war in der Regel ein Zehntel z.B. des Ernteanteiles, geleistet werden. Ob Naturaloder Geldleistung, das war verschieden. Aber auch Hand-und Spanndienste, insbesondere bei größeren Vorhaben, z.B. einem Kirchenbau, waren üblich.
Überdies wurde durch den Pfarrer die Landwirtschaft, der „Pfarrhof” seiner Pfarrei geführt. Er war sozusagen auch Bauer, natürlich mit entsprechendem Gebäuden und Personal. Häufig war er ein Bauernbub und/oder hatte möglicherweise in seiner Kaplanzeit schon auf anderen Pfarrhöfen die Landwirtschaft kennen gelernt. Oft war er der Einzige in seiner Pfarrei, der die Fachliteratur auswerten konnte. Neues Wissen in der Landwirtschaft stand ihm also vorrangig zur Verfügung. Damit konnte er auch „Vorzeigebauer” sein und übte so Einfluss auf das landwirtschaftlich Geschehen in der Gemeinde aus. Und damit auch auf den Wohlstand seiner Pfarrei.
Das System der „drei Herren” über dem Landmann, wurde natürlich immer wieder angepasst und ergänzt. Sicher mag es auch unzufriedene Bauern und lokale Aufstände gegeben haben, aber einen „Bauernkrieg”, so wie in anderen Gebieten Deutschlands gab es in Altbai- ern (Ober-, Niederbaiern und Teile der Oberpfalz) nicht. Letztlich war das alte System über ein halbes Jahrtausend Garant für Stabilität und Wohlfahrt unseres „Altbaiern”. Erst durch die Säkularisation 1802/1803 wurde dieses System in Frage gestellt – eine radikale Änderung wurde eingeleitet.