Lichtmeß Schlenkeln

Dieser Text von Hans Obermair erschien am 30.1.2021 in der Ebersberger Zeitung

Von Lichtmeß und vom Schlenkln

Eine alte Weisheit sagt: „z´Neijahr a Hahnentritt,  z´Heili Drei Kini a Hirschensprung und                z´Liachtmess a ganze  Stund.“. Gemeint ist der Zuwachs des Tages  seit der Wintersonnenwende. Damit  hat der Volksmund nicht nur der religiösen Bedeutung dieses Tages Rechnung getragen. Mit diesem zweiten Februar,  40 Tage nach Weihnachten,  endete früher  dieser Festkreis,  eben mit der Darbringung des Jesuskindes im Tempel. Also ein hochreligiöses Fest, das  bis 1912 ein gesetzlicher Feiertag war. Woher kommt der Name Lichtmeß?  Von den theologische Anlässern, von denen es mehrere gibt, eher nicht. Plausibler ist das Messen des werdenden Lichts, also den länger werdenden Tag. Der Lichmeßtag ist also auch ein Lostag im Bauernjahr, verbunden mit Lichtsymbolen.  Geblieben sind bis zum heutigen Tag die Kerzenweihe und  die Kerzenspende.

Die Bedeutung des „Liamess´n“, wie es der Volksmund es sagte,  ging aber  in der bäuerlichen Welt über das religiöse weit hinaus: Die Ernte war gedroschen, die Waldarbeit im Wesentlichen getan und  Feldarbeit war nicht möglich. Also ein Schnittpunkt im Bauernjahr, der geeignet war abzurechnen, um Knechte und Mägde zu entlohnen, aber diese auch gegebenenfalls zu wechseln. Bei denen es  während des Jahres hieß: „Heit i´s Liachtmeß“, die sich also  um einen „neuen Platz“ umschauen mussten,  schien etwas „faul“ zu sein. Der Verdacht  eines „Rausschmisses“  erschwerte eine Neueinstellung.  Diese Fälle waren aber relativ selten. In der Regel gab es am  Lichtmeßtag  einen Handschlag zur Weiterbeschäftigung oder stattdessen in einzelnen Gegenden vom  Bauern  gar einen Wachsstock.  In unserer Gegend  schenkten  auch die Knechte den Mägden  Wachsstöcke zum Dank, dass ihnen diese das Jahr über die Kammer sauber hielten,  und die Wäsche gemacht hatten.  Und so konnte so manche Magd ob ihrer Dienste und Dienstjahre stolz auf eine Reihe von Wachstöcken verweisen. Eine angesehener  Beitrag,  zur späteren Zierde ihres „Brautkastens“.

Für die Dienstboten hatte der Lichtmeßtag  seine größere Bedeutung , weil er auch Zahltag war. Da wurde dann das „Ausg´machte“ für das vergangene Jahr, das aus Geld und oder Naturalien bestehen konnte, übergeben. War da auch  Gewebtes dabei, dann wurde es bei der nächsten „Stör“, also wenn die „Naderin“ wieder einmal für Tage oder Wochen auf den Hof  war,  zu einem schicken G´wand verwandelt, oder bei den Mannsbildern zu einem „Pfoad“ (Hemd) werden. Einzeln hatte man da am Lichtmeßtag anzutreten, um das „Seine“ in Empfang zu nehmen, vermutlich auch mit Lob oder Tadel verbunden.  Nicht irgendwo, sondern in der „Kinikammer“ oben, also in der besten Stube des Hauses. Und im Raum unterhalb, so wusste es mein Vater, haben sich die Knechte einen Spaß gemacht und die Decke „aufgespreitzt“, weil da oben ja, nach ihrer Ansicht, Unmengen von Geld lagern mussten.

In der Praxis wird  aber der Wunsch eines Wechsels in vielen Fällen schon deutlich vor dem Lichtmeßtag  angekündigt worden sein. Zur Vermittlung gab es auch die „Verdingerinnen“, die zum Beispiel 1862  in Glonn vom Gemeinderat  bestellt  wurden. Dem überall tätigen „Schmusern“ traute man scheinbar nicht.

War eine Weiterbeschäftigung von einer der Seiten nicht mehr gewollt, wurde das „Dienstbüchl“ ausgehändigt, oft mit dem letzten Eintrag „war ehrlich und fleißig“.

Wer aber an Lichtmeß noch keinen „Platz“ hatte, für diese kam die Schlenkelzeit gerade recht. Während der Dienstbotenwechsel am Lichtmeßtag auch im nördlichen Landkreis Ebersberg  bis in die  Mitte der Fünfzigerjahre  des 20. Jhd. noch Bedeutung hatte,  war bei den „Draussahoizan“ das Schlenkelgeschehen nicht üblich. Die sogenannte Schlenkelwoche, mit dem Haupttag des „Schlenkelpfinsta“ also des Donnerstags,  begann nach dem Lichtmeßtag und dauerte bis zum Ablauf des folgenden Sonntags. So wie am Lichtmeßtag so mussten auch am „Schlenklfpfinsta“  nur die nötigsten Arbeiten auf dem Hof verrichtet werden. Die aber, die wechselten, hatten bis zum Montag, also dem Tag des „Einstandes“ frei. Von da dürfte sich auch er Name „Schlenkeln“ ableiten: Das „Schlenzieren“, wie s bei Schmeller heißt, bedeutete Müßiggang, also Nichtstun. Und das mit dem eben ausgezahlten Jahreslohn in der Tasche. So war so mancher Wirthaustisch mit „Schlenklern“ besetzt. Dass am „Schlenklpfinsta“  in Rohrsdorf (Gemeinde Baiern) über Jahrzehnte der „Wurstball“ stattfand, passte zum vollen Geldbeutel  und zum arbeitsfreien Tag.

Am „Schlenkpfinsta“, waren an  größeren Orten, wie Rosenheim, Holzkirchen oder Wasserburg die Schlenkelmärkte angesagt. In der Regel wurden an diesem Tag auch traditionell Warenmärkte abgehalten. Die Verfügbarkeit des Jahreslohns aber auch das zu den Schlenkelmärkten strömenden  Publikum sind hier sicher Anlass gewesen.

Der Schlenklmarkt selbst, an festen Plätzen, in der Regel Wirthäuser, abgehalten, war ausschließlich den Vermittlung von Arbeit suchenden Dienstboten und Dienstboten suchenden Bauern vorbehalten. Sicher gab es auch genug neugieriges Puplikum. Um auf sich aufmerksam zu machen, trugen die sich anbietenden Dienstboten, ein kleines Ährensträußchen am Hut. War man sich einig, wurde das „Ausg´machte“ per Handschlag besiegelt. Hinzu gab es vom Bauern ein „Drangeld“ (auch Dinggeld) an den künftigen Dienstboten, das, wenn es gegeben und angenommen wurde, ein zusätzliches Zeichen der Einigung war. Das „Drangeld“  war eine Extrazahlung und wurde nicht auf den Lohn angerechnet. Aber auch für die eben Bedungenen eine gute Grundlage um den neuen „Platz“ noch mehr oder weniger ausgiebig zu feiern.

Diese Schlenklmärkte,  beziehungweise diese Art der Arbeitssuche, waren bis in die Dreißgerjahre des 20Jhd. üblich. Wenn auch mit abnehmender Tendenz. Wie es im „Oberbayern“ vom Februar 1933 heißt, werden immer mehr Dienstboten aus Niederbayern „importiert“.  Und das vermutlich nicht auf Lichtmeß bezogen, sondern auch während des ganzen Jahres über. Aber auch die immer wichtiger werdenden Arbeitsämter  haben Vermittlungen übernommen. Das Naziregime hatte versucht, die Schlenkelmärkte für ihre Arbeit zu nutzen: Arbeitsämter agierten jetzt auch auf den Schlenkelmärkten,  und  die Vorlage von Arbeitspapieren war Voraussetzung, bis dann nur mehr „von oben“ genehmigte Wechsel erlaubt waren. Aber auch der Ablauf eines Schlenkelmarktes wurde verändert. Nicht mehr das Ährensträußl auf dem Hut der Arbeitssuchenden war angesagt, sondern ein Efeublatt, Zeichen der Treue und Unsterblichkeit musste jetzt getragen werden. Und der suchende Bauer hatte einen Eichenzweig, auch Zeichen der Ewigkeit,  auf dem Hut zu haben. Wenn eine „Verdingung“ vollzogen war, war ein Blatt abzuschneiden. So wie die Schlenklmärkte, so wurde auch Lichtmeß „umfunktioniert“. Das Licht spielte ja bei den „Nazis“ eine besondere Rolle.