Unsere Hausnamen: Da Moar und andere

Dieser Text von Hans Obermair erschien am 19.2.2021 in der Ebersberger Zeitung

Ortsplan von Frauenreuth 1812, bearbeitet von Hans Obermair

Mein Vater hieß Hans Obermair. Seine alten Freun­de nannten ihn aber den „Niedermoar Hans“. Warum? Die Sache ist ganz einfach: Früher, und in ländlichen Ge­genden heute noch, nannte und nennt man die Leute nach dem Hausnamen des Hauses, aus dem sie kom­men. Und mein Vater stamm­te vom „Niedermoar“ in Frau­enreuth. Dieser Hausname ist schon 1501 in den Urbaren genannt und ist sicher we­sentlich älter. Wahrschein­lich hat das Kloster Tegern­see, zu dessen Verwaltung das Frauenreuter Gäu gehör­te, ihren Mairhof in frühester Zeit aufgeteilt und die Teile nach ihrer Lage benannt. Aus­gegangen ist man vom Dorf­mittelpunkt, der Kirche. Und so nennt man in Frauenreuth heute noch diese Anwesen beim „Obermoar“, beim „Nie­dermoar“ (Wirt), beim „Hin- termoar“ und beim „Neumo- ar“ (zu „Noima“ verkürzt).

Diese Aufteilung könnte auf Grund von weiteren Ro­dungen erfolgt sein. Eine ers­te Rodung hat ja dem Ort den Namen „Reuth“ gegeben. Mit der bedeutend werdenden Marienwallfahrt eben dann Frauenreuth. Die fünf weite­ren Anwesen, beim „Huber“, beim „Mesner“, beim „Schäff­ler“, beim „Rumpl“ (Schmied) und beim „Siman“ werden auf weitere Teilun­gen, oder Schenkungen, eventuell durch Rodungen veranlasst, erfolgt sein.

Im südlichen Bayern ist der Hofhame „Moar“ mit allen Varianten besonders häufig anzutreffen. Woher kommt der „Moar“? Reinhard Riepl schreibt: Er war Inhaber ei­nes ganzen Hofes (nach Hof­faß) oder Verwalter eines Gu­tes. Das Wort selbst kommt aus den Lateinischen Major und bedeutet, der, Größere, auf Besitz und Verwaltung bezogen. So nannte man schon die Vorfahren Karl des Großen Hausmaier. Sie ha­ben sich in der Verwaltung bewährt und hoch gedient. Der „Moar“ als der Verwal­tende ist heute noch in ver­schiedenen Sprachen prä­sent. Zum Beispiel in Franzö­sisch ist der „Maire“ der Bür­germeister, oder in Englisch heißt er der „Mayor“. Im bayerischen Dialekt ist der „Moar“ zwar kein Bürger­meister, aber in der Sprache des Eisschießens derjenige, der in der um eine Person we­niger besetzten Gruppe, den Fehlenden zu ersetzten hat, also zweimal dran kommt.

Der „Moar“ ist ein Name mit Bedeutung. Und so ist es nicht verwunderlich dass man zum Beispiel bei einer Einheirat oder eines sonsti­gen Wechsels gerne den „Mo­ar“ mitnahm und sich nach seiner Herkunft nennen ließ. Den „Moar“ gab es bei uns vornehmlich im bäuerlichen Umfeld. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er im Laufe der Zeit auch auf Anwe­sen, die keine „Moargröße“ hatten, Anwendung fand, eben zum Synonym für den Bauer wurde. Wie wäre es sonst zu verstehen, dass es in Landsham gleich ein ganzes Dutzend „Moar“ gab, wie Willi Kneißl nachweist: den Niedermoar, Hintermoar, Weidachmoar, Westermoar, Radlmoar, Geßmoar, Stock- moar, Feldmoar, Neumoar, Thalmoar, Obermoar und den Straßmoar.

Hausnamen können vieler­lei Entstehungsgründe ha­ben. Zum Beispiel beim „Mo­ar“, „Huaba“, „Lehna“ und „Häusler“ ist es die Anwe­sensgröße. Dann die Anwe­senslage, Unter, Ober, Berg, Anger, Feld und so weiter, oft verbunden mit anderen Be­griffen (z.B. Feldmoar). Häu­fig sind Hausnamen auch von Vornamen abgeleitet. Hier ist es in der Regel entweder der Vorname eines frühen, wenn nicht ersten Besitzers oder ei­nes Besitzers durch Hoftei­lung. Kommen innerhalb ei­nes Ortes überwiegend Vor­namen als Hausnamen vor, so könnte das mit der Besied­lung zu tun haben, zum Bei­spiel, wenn sich eine ganze Sippe nieder gelassen hat. Ein weiterer Anlass für Vorna­men: Der Grundherr ist ein Gotteshaus, dessen Haupthei­liger dem Hausnamen be­stimmt: Beim „Glos“ in Stein­hausen war die Nikolauskir­che in Steinhausen nicht nur der Nachbar, sondern auch der Grundherr. Wenn eine Kirche oder Pfarrei Grund­herr war, kommt auch „Wid­dumbauer“ vor, was sich im Laufe der Jahrhunderte zu „Wimmer“ zugeschliffen hat.

Auch Grund- oder Gerichts­herren können Hausnamens­geber sein, wie beim „Klin­ger“ oder beim „Zeller“ (Klos­ter Dietramszell). So auch die Herkunft des Siedler wie zum Beispiel beim „Schwabi“ .Vie­le Hausnamen wiedergeben den Beruf eines früheren Be­wohners, natürlich in Verbin­dung mit allen möglichen Kombinationen (Angerl- schuster usw.) Häufig haben auf Berufe zurückgehende Hausnamen den ursprüngli­chen ersetzt, weil Bewohner jetzt einen Beruf ausübten und natürlich über die Be­rufsnennung sich einen Wer­beeffekt erhofften.

Dass Hausnamen heute manchmal nicht mehr auf Anhieb zu deuten sind, hängt oft damit zusammen, weil sie heute noch im Dialekt ihrer Entstehungszeit gesprochen werden. Zum Beispiel „Moja“ (Maler). Wir nennen zwar heute noch mundartlich das malen „mojn“. Der frühere „Moja“ ist längst zum „Ma­ler“ geworden. Aber auch beim Nachbar des Glonner Moja, beim „Frosch“ lässt sich nicht mehr die Bedeu­tung auf Anhieb erkennen. Die frühen „Froschn’s“ aber werden durch das Fangen von Fröschen ihren Tisch oder gar ihren Geldbeutel aufgebessert haben.

Hausnamen hatten auch rechtliche Bedeutung. Die Fa­miliennamen änderten sich durch Heirat und Wechsel, die Verwaltung aber brauch­te in einer Zeit, wo es keine Straßennamen und Haus­nummern, keine Grundbü­cher gab, „ewige“ Namen. Und so hießen sie auch in ei­ner Verwaltungsvorschrift.
Gräbt man heute einen al­ten Gegenstand aus, der 500 Jahre alt ist, so ist die Sensati­on perfekt. Aber unsere alten Hausnamen, die oft weit älter sind, verkommen zusehends. Obwohl sie Familien-, Besied- lungs-, Wirtschafts-, und Sozi­algeschichte ersten Ranges sind. Überdies sind sie eine Quelle für die Mundartfor­schung. Schade, dass unsere Häuser so ihrer kulturellen Substanz beraubt werden.