Schwein gehabt

Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 30.6 2021 in der Ebersberger Zeitung

Bemerkenswertes Votivbild:
Wie das Schicksal von 22 Ferkeln die Autorin Lena Christ inspirierte


Schicksalsfrage: Die Stifter der Votivtafel in Frauenreuth bitten die Muttergottes, dass

ein Wurf von 22 Ferkeln überlebt – eine ungewöhnlich hohe Zahl. Das Schicksal des wertvollen Viehs war der Familie ein großes Anliegen. Repro: hog

In der Kirche von Frauenreuth sehen wir ein Votivbild, das auch in die Literatur Eingang gefunden hat: Lena Christ verewigt es in ihrem Roman „Mathias Bichler”. Für sie, die ge­bürtige Glonnerin, gehörte dieses Votivbild sozusagen zu ihren Kind­heitserinnerungen – bewusst oder unbewusst. Jedenfalls kann es die 1909 erschienene Glonner Chronik des Johann Niedermair gewesen sein, die die Dichterin auf die literarische Verwendungsmöglichkeit von Glonner Geschichten aufmerksam machte. Niedermair ist ein Glonner Bauerssohn und feiert 1909 als 34-Jähriger dort seine Pri­miz. Übrigens: Vieles was in der „Niedermairchronik” aufgeschrieben ist, wie zum Beispiel viele Glonner Hausnamen, fand in Lena Christs Werk Eingang, wenn in der Regel auch anders verortet.

Jetzt aber zum Votivbild: Es wurde 1720 von den Müllers- und Bauer­seheleuten „zum Steinmüller” im Glonner Mühltal gestiftet. Der Stif­tungszweck ergibt sich aus dem Text (siehe Zitat).

Mit dem Votivbild von 1720 bittet der Steinmüller Servatius Wäsler und seine Frau Gott und die Gottesmutter von Frauenreuth, dass ihm alle Frischlinge, also junge Schweine, durchkommen, also nicht vorzeitig verenden. Mit dieser Tafel wolle er eine Heilige Messe und ein Opfer in den „Stock” (Opferstock) versprechen und seinen ewi­gen Dank zum Ausdruck bringen. Mit dem „Amen” am Schluss be­kräftigt er seine Bitte und seinen Dank.

Auf dem Bild sehen wir die knienden Steinmüllers in zeitgenössi­scher Tracht. Die Rosenkränze sind sicher zu groß dargestellt, aber kleiner war es auf dem Bild schlecht möglich. Die abgebildete Schweineherde soll sicher nicht die „Frischlinge” darstellen, sondern gewissermaßen das „ausgewachsene Endergebnis”, um das man ja gebangt und weswegen man sich verlobt hatte. Die Bäume am rech­ten Bildrand dürften Eichen sein, denn deren Früchte waren eine Futterbasis für die damalige Schweinemast (Dechelmast).

Die Qualität des Bildes spricht dafür, dass es von einem Profi stammt. Es ist eines der besser gemalten von den Frauenreuther Vo­tivbildern. Und so wird es auch mehr gekostet haben, als üblich. Eine Müllerfamilie konnte sich das eher leisten. Infrage kommen vielleicht

die Maler Möschl, wohl aus Tirol, und Zäch, eventuell aus Benedikt­beuern. Aber auch ein Mitglied der Malerfamilie Beham, die 1718 nach Herrmannsdorf zugezogen ist, könnte es gewesen sein.

Die in dem Bild genannten Wäslers sind eine Glonner Müllerfamilie, die wir im Laufe der Zeit auf verschiedenen Glonner Mühlen schon vor 1600 und bis heute finden. Das heute noch mundartlich gespro­chene „Wasler”, könnte auf den Ursprung des Namens „die Wassler”, also die am oder mit dem Wasser arbeiten, hindeuten.

Ein 1693 geborener Franz Steinmüller, seines Zeichens Zimmer­mann und „Architektus”, war Bruder des Votanten Servatius Wäsler, der 1708 die Bauerntochter Ursula Rumpl aus Hafelsberg heiratete. Das dürfte die Frau auf dem Votivbild sein. 1757 wechselte der Fami­liennamen durch Heirat in Mühltaler – bis heute.

Den Anlass für das Votivbild erfahren wir aus dem Bild selbst. Was auffällt, ist die Zahl der „Frischlinge” – 22. In keinen anderen Unterla­gen lässt sich auf einem Glonner „Sach”, auch nicht auf „ganzen” Hö­fen, des 17. und 18. Jahrhunderts eine solch hohe Zahl finden. Der Steinmüller als „Viertelhöfler” hatte nach dem Steuerbuch von 1671 nur eine „Schweinsmutter” (Muttersau) mit sieben Frischlingen – und damit schon einen überdurchschnittlichen Schweinebestand. Nimmt man das Wurfergebis von 1671, hätte man 1720 drei Sauen und das mit ähnlicher Wurfzeit haben müssen. Für einen „Viertelhöfler” eher auszuschließen.

Es kann also nur die Mühle gewesen sein, die diesen hohen Schwei­nebesatz erlaubte. Möglicherweise ist diese Angst um ihre „Frischlin­ge” durch eine Seuche wie den „Rotlauf’ (die heutige Schweinepest ist erst seit 1833 dokumentiert) bedingt. Aber vielleicht war es auch nur die generelle Sorge um diesen eventuell unerwarteten Schwei­nesegen.

Zurück zu Lena Christ: „Mathias Bichler”, der Roman, der sich um 1800 im oberen Leitzachtal abspielt, erschien 1914. Er handelt vom Findelkind „Mathiasl”, der auf Wanderschaft den Maler Beham – auch ein Glonner Name – trifft. Ihm hat eine Kundin einen Auftrag gegeben: Sie will der Gottesmutter von Ebbs ihren Dank abstatten, weil von einer Sau alle 22 Frischlinge durchgekommen sind. Vorbild für diese Geschichte war sicher das Votivbild von 1720 in der Frauenreuther Kirche – ein weiterer Beweis, wie unzertrennlich Lena Christ und Glonn Zusammenhängen.

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