Archiv der Kategorie: Ortschronisten

Drinnahoiza, Draußahoiza – daher kommts

Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 14.7.2020 in der Ebersberger Zeitung

Der Ebersberger Forst trennt die Menschen im Landkreis. Heißt es. Hier die Drinnahoiza, dort die Draußahoiza, oder umge­kehrt. Was hat es damit auf sich? Wie tief geht die Trennung? Hans Obermair, Glonner Heimatfor­scher, klärt auf.

Landkreis – „Drinahoiza- Draussahoize“, ein Wortpaar, das heute, Gott sei Dank, nur noch selten in Gebrauch ist. Aber vor 100 Jahren gehörte es, zumindest bei den Älte­ren, zum Sprachschatz. Es wurde immer dann ge­braucht, wenn es um Tren­nendes zwischen Nord und Süd im heutigen Landkreis ging.

Bei diesen Begriffen han­delt es sich zunächst um räumliche. Der „Park“ (Ebers­berger Forst) war das Hinder­nis, das es zu überwinden galt, wenn man zueinander wollte oder musste. Aber das Holz endete nicht an der Grenze des „Parks“, sondern auch außerhalb setzte sich der Wald bis zur Landkreis­grenze fort. Ein gefährlicher Weg also, und teils ohne Wirtshaus. Dies galt natür­lich insbesondere für den Ebersberger-Grafinger Be­reich.

Die Grenze Drinnahoiz- Draußahoiz hatte vermutlich auch etwas zu tun mit den Pflegämtern. Das Landgericht Schwaben umfasste drei Pflegamtsbezirke: Purfing für den Norden und Wiesham, sowie Northofen (Orthofen) für den Süden.

Zorneding gehörte noch zum Süden, also zu Northofen, während Pö­ring und Ingelsberg nach Pur­fing zugeordnet waren. Die Grenze Nord-Süd könnte also außerhalb des Parks etwa die heutige Bahnlinie gewesen sein. Wann, wie und warum diese Pfleggerichtsgrenzen entstanden sind, wurde nicht erforscht.

Warum also diese, auch mentale, Grenze? Mag sein, dass die Landgerichtsverlegung von Falkenberg nach Schwaben (Markt Schwaben) Ende des 13. Jahrhundert mit Ursache war. Im Süden, wo dieser Begriff „Draußahoiz“ wahrscheinlich entstanden sein dürfte, könnte diese Landgerichtverlegung, ein Grund gewesen sein. Dort war dann auch der Oberei­gentümer für mehrere Anwe­sen, dorthin musste man letztlich Abgaben und die Steuern zahlen, von dort aus wurde in Kriegszeiten einberufen, dort musste man für alles Mögliche Genehmigun­gen einholen, zum Beispiel bei der Säkularisation, und in Schwaben wurde in vielen Fällen nicht nur Recht (Hoch­gerichtsbarkeit) gesprochen, sondern auch die Todesstrafe vollzogen. Natürlich für Nord und Süd.

Nach Schwaben war man auch zum, „Scharwerk“ ver­pflichtet. Wie es 1603 heißt, auch zum „Hochgericht”. Fünf aus dem Glonner Gäu wurden zum Dienst gerufen:  Man kann davon ausgehen, dass in Schwaben Hochge­richtstag war und dass die Glonner „Scharwercher“ un­ter anderem dabei für Sicher­heit zu sorgen hatten. Mögli­cherweise war in Schwaben einer von dort „hinzurich­ten“.
Den Schwabener „Scharwerchem” traute man ver­mutlich aber nicht. Sie könn­ten sich ja auf die Seite des Opfers geschlagen haben.

Aber auch die Kultur hat sich im Süden und Norden unterschiedlich entwickelt. Denken wir an die Dachfor­men, die „draußen” steil wa­ren, weil es mehr Getreide­bau und damit mehr Stroh für die Dachdeckung gab. Im Süden war das flache Leg­schindeldach die Regel: hier gab es eben mehr Holz.

Möglicherweise wurde dieser Unterschied auch von der Niederschlagsmenge, die im Süden reichlicher ist, bedingt.

Aber auch behördliche Vor­gaben könnten eine Rolle gespielt haben. Dann auch die Sprache: Zum Hausnamen „Zehetmair“ (von Zehent) sagt man im Süden z.B. in Zorneding und Berganger „Zechatmoar“ und im Nor­den (Gelting, Anzing, Neuching) beim „Zehmer“. Beim „Selmer“ und „Sellmoar“ ist es ähnlich. Und so gäbe es noch einige Beispiele.

Ein früher im Süden gebräuchlicher Spruch: „Draussahoizaboschn griagst drei um an Grosch’n“ setzt heute nicht mehr die vom Norden herab.

Die Zeit mit ihren neuen Verkehrs- und Kommunikati­onsmöglichkeiten hat uns nä­her gebracht. Entfernungs­probleme gibt es nicht mehr. Das „Holz“ ist nichts trennen­des mehr. Damit wurden auch neue Organisationen, denken wir an die letzte Gebietsreform, möglich. Tun wir alles dafür, dass die müh­sam errungene Landkreiseinheit erhalten bleibt. Das grö­ßere Wachstum des Nordens, könnte dieses Gleichgewicht nicht nur stören, sondern auch zerstören.

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Artikel von Hans Obermair in Ebersberger Zeitung 2021

 

 16.01.2021 “Bierletzt u. Ganspaschen”  30.6.2021  “Schwein gehabt”
 30.01.2021  “Lichtmeß-Schlenkeln”  13.8.2021 “Der Lanz – Unser Bulldog”
 19.2.2021  “da Moar und andere”  17.8.2021 “Silber-Lukas: Das sind seine Vorgänger”
 19.05.2021  “Der Bauer und seine drei Herren”  7.9.2021 “Der Kirchenwachter von Frauenreuth”
 1.6.2021 “Zurück zum Ursprung”  30.9.2021  “Ein Rathaus hat Jubiläum”
 9.6.2021 “Ein Dreh zum Wohlfühlen”  18.11.2021  “Hirte und Herde von einst bis jetzt”
 9.6.2021 “Erinnerungen an Karl Obermair”  7.12.2021  “Römerstraße gesucht”
 15.06.2021 “Knedl und Kraut”    

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Hans Huber: Festschriften

Festschrift „1200 Jahre Taglaching“ (1988)

Das Adelsgeschlecht der Pienzenauer auf Wildenholzen (2014)__________Herunterladen

Gemeinde Bruck, Festschrift zur Eröffnung des Gemeindezentrums (1995)

Informationsbroschüre zur Gemeinde Bruck (2014)

Festschriften zu Vereinsjubiläen: 

100 Jahre Privatunterstützungsverein bei Brandfällen Bruck bei Grafing (1989)
Gemeinsam mit  Johann Riedl „40 Jahre Waldbesitzervereinigung Ebersberg e.V. (1991)
125 Jahre FFW Alxing e.V.
90 Jahre Radfahrerverein Alxing (2001)
50 Jahre Schützenverein St. Hubertus Alxing (2005)
Veteranenverein Bruck – 120 Jahre Vereinsgeschicht Milchverwertungsgenossenschaft Taglaching, 100 Jahre Geschichte (2013)
125 Jahre Burschenverein Bruck (2014)

 

 

Der Lanz – Unser Bulldog

Dieser Text von ©von Hans Obermair erschien am 13.8.2021 in der Ebersberger Zeitung

Liebeserklärung an einen Schlepper, der den Autor fast das Leben ge­kostet hätte

Heute ist der Name Lanz vielen nur mehr vom Fernsehen her bekannt. Der aus Südtirol stammende Markus Lanz ist ein Moderator, der aus den bundesdeutschen Medien nicht mehr weg zu denken ist. Anläss­lich eines Glonner Pfarrausfluges nach Südtirol waren wir im Hotel des On­kels von Markus Lanz untergebracht. Als ich mit dem Onkel ins Gespräch kam und im eröffnete, dass mir der Name Lanz vom „Bulldog” her geläufig sei und ich in meiner Jugendzeit mit einem solchen viel zu tun hatte, fragte er umgehend „hosch ‘t oan”, oder auch nur Teile – und wenn es nur eine

alte Heizlampe wäre. Der Onkel war nämlich begeistert von den Bulldogs seines Namens. Leider konnte ich ihm nicht dienen. Aber er war auch an meinen Erlebnissen mit diesem Schlepper sehr interessiert. Was auch sonst.

Der „Lanz” aus Mannheim war ab etwa Mitte der 1930er Jahre die meist gekaufte landwirtschaftliche Zugmaschine in ganz Deutschland, besonders in den Ackerbaugegenden. Und so hörte man in der Gegend, besonders während der herbstlichen Zeit des Pflügens, überall diese Bulldogs „schna­ckein”. Besonders in der Ackerbaugegend des Münchner Ostens, dem so genannten „G’fij” (Gefielde) war das das Geräusch des Herbstes.

Dieser meistens 20 PS starke „Einzylinder” mit der Glühkopfzündung nach dem Zweitaktsystem war einfach und robust. Der Glühkopf vor dem lie­genden Zylinder und Kolben verlängerte die Maschine nach vorne. Hier war der Zündteller untergebracht, der vor dem Kaltstart mit einer Lötlam­pe erhitzt werden musste. Das dann von der darüber liegenden Düse auf das Zündteller eingespritzte Diesel explodierte und bewegte den Langhub- Kolben. Der Hubraum war 2.5 Liter und das Gewicht von rund 50 Zentnern brachte die Kraft auf dem Boden.

Die einfache Bauweise des Motors stellte auch keine besonderen Ansprü­che an den Treibstoff. Pro Stunde waren das ca fünf Liter. Man konnte den „Saft” maximal mit einem drittel Ablassöl „strecken”. Dies hatte allerdings den Nachteil, dass die Düse öfter verstopfte und dass nicht alles verbrann­te. Der Rest wurde dann aus dem typischen Auspuff nach oben geschleu­dert, sodass der Fahrer seine „Düpferl” abbekam.

Nicht nur Ablassöl konnte der Lanz „verdauen”. Ein Bulldogfahrer berichte­te, dass er versehentlich einen Kanister Karbolineum in den Tank schütte­te. Sein Resümee: „Aba do hot a guat zog’ n”. Man erzählte auch, dass die Türkei den Kauf von Schleppern ausschrieb. Bedingung war, dass Zig-Ton- nen ranziger Butter zu verwerten seien. Lanz machte das Geschäft.

Hatte der Zündteller die nötige Temperatur, wurde der Bulldog gestartet. Vorher wurde noch über einen kleinen Hebel „eingespritzt”, sodass genü­gend Diesel im Zünd-raum war. Bei den Vorkriegsmodellen erfolgte der Start mit dem abnehmbaren Steuerrad. Man steckte es in die Mitte der seitlich liegenden Schwungscheibe, wippte ein paarmal und zog dann durch. Das Steuerrad dreht sich nun mit dem laufenden Motor – und dann pressierte es, es musste schnellstens abgezogen werden. Genau hier war das größte Gefahrenmoment. Gelang dies nicht sofort, löste sich das Steu­

errad drehend von selbst und konnte wie ein Propeller durch die Luft flie­gen. Unfälle gab es immer wieder. Und so war der Rat eines alten Bulldog­fahrers Gold wert: „Wenn dir das passiert, ist der sicherste Platz unter dem Bulldog!” Dieser Unfallquelle begegnete die Berufsgenossenschaft damit, dass ab Anfang/Mitte der 1950er Jahre feste Antriebsscheiben vorhanden sein mussten. Gegebenenfalls war nachzurüsten. Aber auch die Lötlampe wurde durch eine fest eingebaute Zündvorrichtung zum Starten häufig er­setzt.

Die Pflege dieses Schleppers war einfach: Ölwechsel gab es nicht; er hatte ein eigenes Umlaufschmiersystem. Für die gelegentliche Reinigung des „Kamins” diente bei uns ein alter Offizierssäbel aus dem Ersten Weltkrieg, und ein paar Schmiernippel. Aus! War einmal die Düse verstopft, so konn­te man diese schnell, auch auf dem Feld, mit einer Nadel reinigen.

Der Lanz hatte drei Vorwärts- und einen Rückwärtsgang. Dann den „Über­setzer”, sodass sich die Zahl der Gänge verdoppelte und das Gefährt auch straßentauglich war. Das Getriebe war natürlich nicht synchronisiert. Aber bei geringer Zugbeanspruchung und einer gewissen Technik mit dem Gas­pedal konnte man auch ohne zu kuppeln rauf und runter schalten. Ab den 1950er Jahren musste bei den älteren Modellen der Übersetzungsganghe­bel abgesägt werden, weil diese Modelle nur eine Handbremse hatten, und das entsprach nicht der Vorschrift. Übrigens: Man konnte durch „spie­len” mit dem Gashebel auch die Drehrichtung ändern, sodass man die Vor­wärtsgänge zur Rückwärtsfahrt verwenden konnte. Bei den Anfangs-Lanz- Modellen war dies sogar die einzige Rückfahrmöglichkeit.

Meine Erlebnisse mit diesem Unikum waren ab 1951 auf dem Pachtbetrieb meiner Eltern beim „Wirt” in Ottersberg. Mit den 120 Tagwerk, davon gut zwei Drittel Ackerbau waren nicht nur wir, sondern auch unser Bulldog gut beschäftigt. Zu unserem „Lanz” hatten wir noch den kleineren „Schlüter”. Schon als Bub musste ich mit den Traktoren bei der Ernte „Vorfahren”. Nur wenn man sich „ganz lang” machte, konnte man die Kupplung durchdrü­cken und schalten. Ab etwa 16 war ich dann der Bulldogfahrer auf dem Hof. Im Herbst zum Beispiel saß ich wochenlang täglich auf dem „Lanz” und pflügte. Eine Hand am Lenkrad, die andere an der Spindel des ange­hängten Pfluges. Man fragte mich, ob ich es „im Kreuz” hätte, weil ich so schief daher komme. Es war eben diese wochenlange einseitigen Tätigkeit. Aber auch mein Gehör hatte mit dem „Lanz” auf Dauer zu leiden. Gehör­schutz gab es damals nicht. Und je lauter er bellte, umso besser zog er. Sein Geräusch war so laut, dass man, auch wenn man schrie, sich nicht hö­ren konnte.

Einmal hätte mir der „Lanz” beinahe das Leben gekostet oder mir zumin­dest lebenslange Invalidität eingebracht: Ich pflügte einen Kleeacker um. Beim Ausheben des Pfluges an der Querfurche, ich hatte schon das „Gas” zurückgenommen, starb der Motor ab. Ich startete mit dem Lenkrad den Bulldog wieder in gewohnterWeise. Ein weghängender Flicken an meinem Handschuh hatte sich aber im Lenkrad verfangen, sodass ich die Hand nicht mehr vom Rad brachte. Ich wurde mit der Drehung in Richtung Kot­flügel gezogen und hörte es in meiner Schulter schon krachen. Da schlug der Motor, Gott sei Dank, zurück und ich flog rücklings aufs Feld. Wäre, wie gewohnt, der Handgashebel auf „Voll” gewesen, hätte es keinen Rück­schlag gegeben und ich wäre womöglich allein auf dem Feld meinem Schicksal ausgeliefert gewesen. So aber konnte ich meine Arbeit fortset­zen.

Im Sommer 1957 kauften wir uns dann einen weiteren Schlepper, der den „Lanz” weitgehend ersetzte. Dieser war dann nur noch auf „Reserve”. Aber immer wieder musste er vor den Pflug. Es war schön mit ihm zu fahren.

Und so kann ich die heute noch übliche „Lanzleidenschaft”, wie man sie heute bei Oldtimertreffen erleben kann, gut verstehen. Die Faszination „Lanz” mag man auch daran ermessen, dass der Gebrauchsname „Bull­dog”, der ursprünglich nur für Lanzschlepper allein gültig war, heute noch als Synonym für alle Traktoren verwendet wird. Dies dürfte ziemlich ein­malig sein in unserer Industriegeschichte.

 

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Silber-Lukas: Das sind seine Vorgänger

Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 17.8.2021 in der Ebersberger Zeitung

Turnen hat in der Marktgemeinde Glonn eine jahrhundertealte Tradi­tion – Blick ins Archiv

Ein Höhepunkt in der Geschichte Glonns: Silbermedaillengewin­ner Lukas Dauser besucht seine Heimat. Die Glonner Musi spielt den Olympioniken vom Haus der Eltern zum Marktplatz, wo ihn Bürgermeister Josef Oswald begrüßt und der Eintrag ins Goldene Buch des Marktes er­folgt. Diese mehr protokollarische Angelegenheit wird aber sicher überbo­ten von der Freude der Glonner über den Besuch Lukas Dausers, der schon drei Tage nach seinem Triumph in Tokio zu seinen Wurzeln zurück­findet. Er belegt dies damit, dass er offen bekennt „…immer wenn ich her­komme, fühle ich mich sofort heimisch”. Und wenn er weiter erinnert: „als Kind wurde ich angesprochen, ob ich der bin, der im Schwimmbad Wiesmühle die Saltos vom 3-Meter Sprungbrett macht!”, dann unterstreicht das ebenfalls seine Verbindung mit Glonn. Und so darf Glonn schon auch stolz darauf sein, Heimat eines so großartigen Sportlers zu sein.

Wer denkt bei einem solchen Anlass daran, dass das Turnen in Glonn in seinem „Turnverein” schon seit 1884, also seit 137 Jahren, Tradition ist. In­itiator war der Lehrer Bartholomäus (Bartl) Nußhart. Er war aus Inning am Ammersee gebürtig und erst seit Juli 1883 in Glonn. Neben seinem Schul­dienst war er auch Organist in Frauenreuth. Das hieß, täglich vor Schulbe­ginn einen Fußmarsch zur Wallfahrtskirche und zurück. Vorübergehend muss Nußhart auch Schulleiter gewesen sein. Das bedeutete, auch den Gemeindeschreiberdienst zu versehen. Bürgermeister war damals der Christlmüller Johann Beham.

Wie es in einem Bericht von 1934, also zum 50-jährigen Bestehen, heißt, war es nicht leicht, den Anfang zu machen. Weiter ist vermerkt: Die „mit­reißende Persönlichkeit” des jungen Lehrers sei es gewesen, die die Ju­gend für das Turnen begeisterte. Erster „Sportplatz” war eine Wiese, dort wo der Kupferbach in die Glonn mündet und „Turnerheim” war das Gast­haus Lanzenberger. Wie schnell sich die junge Gemeinschaft gefestigt hat, zeigt, dass bereits 1886 eine Fahne angeschafft werden konnte. Als Nuß­hart, wohl berufsbedingt, im gleichen Jahr Glonn verließ, war er nicht gleich zu ersetzen. Erst 1888 übernahm der Maler Peter Meßner den Vor­sitz. 1898 wurde der Turnplatz in die Nähe des Metzgeranwesens (Bredenhöller) verlegt. Dieses Anwesen gehörte zum „Neuwirt”. Und so war es ver­ständlich, dass die Turner mit dem Vereinslokal dorthin wechselten. 1929 erbaut man die Turnhalle des Vereins.

Statuten und eine „Turn-Ordnung” zeugen vom Ordnungswillen des Ver­eins. Da heißt es zum Beispiel „Das Turnen von Zweien auf einem Geräthe ist nicht gestattet”, oder dass „Übungen, welche mit Gefahr verbunden sind, ohne Beisein anderer nicht versucht werden”.

Das Kassenbuch von 1901 -1921 und das Beitragsbuch von 1911 – 1922, das wieder gefunden und erst vor ein paar Jahren dem ASV übergeben wurde, gibt einen Einblick in die Tätigkeit des Vereins in diesen Jahren. Ne­ben dem Training gab es natürlich immer wieder Wettkämpfe und man beteiligte sich bei Gauturnfesten. Da gab es zum Beispiel für 1907 für die Glonner mehrere Preise.

Aber es wurde nicht nur geturnt, sondern auch Schwimmen gehört dazu und das Theaterspielen. Der alljährliche Turnerball war ein Höhepunkt des Glonner Faschings.

Die Liste der Vorstände zeigt, wie sehr der Verein im Glonner Bürgertum verankert war. Und trotzdem hatte der Verein auch seine Krisen. In einer Zeitung von 1907 steht zu lesen, “…. man habe den Verein wieder neu zu Leben erweckt”. Vielleicht hat der 1903 gegründete Athletenclub und der Radfahrverein von 1906 den Verein geschwächt. Anfang der Dreißigerjahre nahm man sogar die Sänger in die Reihen der Turner auf. Der Männerge­sangverein nannte sich nun „Sängerriege des Turnvereins”.

Einen Höhepunkt hatten die Glonner in den Jahren nach dem Ersten Welt­krieg. Der Erste Weltkrieg brachte, wie bei allen Vereinen, einen Einbruch, die meisten erwachsenen Glonner Turner waren ja im Krieg. Die Aufbruch­stimmung muss enorm gewesen sein. Das führte zu den Erfolgsjahren des Vereins: 1924 war die Fahnenweihe und dann die vielen sportlichen Erfol­ge, sowie 1929 der Bau der Turnhalle. Diese sportlichen Erfolge dürften zurückzuführen sein einmal auf die Vereinsführung und auf die Vereins­trainer. Diese waren für die Kinder und Jugendlichen Korbinian Beham, er war einer der besten Glonner Turner und Enkel des Gründungsbürger­meisters Johann Beham. Für die Erwachsenen war es Wolfgang Maier, er war der Sohn eines Glonner Postlers, des letzten Glonner Postillon in Glonn. Ein Zeitungsausschnitt mag dafür ein Beleg sein, wie viele Glonner damals aktive Turner waren. Den Mitgliedern nach gab es auch eine Ver­bindung zum Glonner Katholischen Gesellenverein (Kolping).

Die Aktivitäten der Turner scheinen Ende der Zwanzigerjahre abzuneh­men. Wie es heißt, wollen die Jungen Fußball spielen und die Alten nicht. Ein neuer Verein (Spiel und Sport) wurde gegründet. Die Machtergreifung der NSDAP ab 1933 verordnet die Gleichschaltung, das heißt die Mitwir­kung der Partei. Vorstand Maier erklärt dies 1934 der Versammlung. Die „graue Eminenz” im Verein, Ludwig Maier (Bürgermeister von 1929-1933), ist damit nicht einverstanden und bewirkt einen Vorstandswechsel. August Knorr wird Vorstand. Auch die aufkommende Hitlerjugend mag das ihre beigetragen haben. Liest man die Zeitungsberichte, kommt man zu dem Schluss, dass der Turnverein nur mehr gesellschaftliche Funktionen aus­übt: Theaterspielen, Faschingsveranstaltungen und Versammlungen. Das geht so bis 1941, dann ist Stille. 1947 erfolgte dann die Zusammenlegung beider Sportvereine zum Allgemeinen Sportverein (ASV).

Dass sich nun ein Weltklasseturner von seine Wurzeln her zu Glonn be­kennt, könnte doch ein Anlass sein, die alte Glonner Turnertradition wie­der aufleben zu lassen. Turnen, ein Sport, der nicht auf Zweikampf ausge­richtet ist, sondern wo der Fähigste der Beste ist, passt doch in unsere Zeit. Ein Sport, der aber auch die Gemeinschaft fördert. Noch dazu in ei­nem Ort, dessen Vereinsleben von zwei großen Sportvereinen maßgeblich mit geprägt wird. Vor allem aber auch, weil man mit Lukas Dauser, ein so großes Vorbild hat. Quasi einen Paten, um den uns viele beneiden. Zudem hat unsere Marktgemeinde eine zweite Turnhalle in der Agenda. Aber auch die Glonner Bürger würden sich nicht „lumpen” lassen. Also anpa­cken!

 

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Ein Dreh zum Wohlfühlen

Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 9. Juni 2021 in der Ebersberger Zeitung

Vor 40 Jahren wurde in Glonn „Die Rumplhanni” fürs Fernsehen aufgenommen

Überwiegend wird die „Rumplhanni” als der bedeutendste Roman der Glonnerin Lena Christ gesehen. Das Werk hat das Leben ihrer Mutter, ergänzt mit eigenen Erlebnissen, zum Inhalt. Ursprüng­lich als Theaterstück gedacht, erschien der Roman 1916 und ist zeit­nah geschrieben.

Schlacht im Westen von Glonn ist ein bekannter Ort. Nicht nur weil man sich dort eine gemütliche Kaffeepause gönnen kann, sondern auch weil von Schlacht aus viele schöne Busreisen ihren Anfang neh­men. Kultureller Mittelpunkt ist auch heute noch die kleine Kirche in der Ortsmitte, von wo aus Kirchenpatron Martin über die Seinen wacht. Die Straße teilt nicht den Ort, sondern verbindet ihn. Der Ortsname erinnert nicht an ein Kriegsgeschehen, sondern an die Ro­dung, die vor über einem Jahrtausend begann, bei dem der Wald zu Gunsten der Besiedlung geschlagen oder „geschlachtet” wurde. Ur­alte Hausnamen, die sich meist auf Vornamen beziehen, wie zum Beispiel der „Urber” (Urban), lassen sogar den Schluss zu, dass sich hier eine Sippe angesiedelt haben könnte.

Dass man ausgerechnet hier und in der Umgebung den „ländlichen” Teil der Verfilmung des Lena-Christ-Romans „Rumplhanni” drehte, hat sicher seinen Grund darin, dass der Ort den gewünschten Dorf­charakter hatte. Mit dem denkmalgeschützten Urberhof hatte man auch die richtige Immobilie gefunden, wie sie eben der „Hauserbau­er” aus dem Roman brauchte. Nicht nur das: In Glonn wurde Magda­lena Pichler, alias Lena Christ 1881 als „Hansschuastalenei” geboren, im nahen Lindach, wo sie gerne beim „Wimmerbauern” in der Som­merfrische waren, schrieb sie zu einem guten Teil ihre „Rumplhan­ni”. Dort und auf ihren Spaziergängen in der Umgebung erlebte sie Land und Leute, wie sie im Roman Vorkommen.

Wenn man sich mit dem Werk und Herkunft der Lena Christ etwas auskennt, wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass in der „Rumplhanni” vieles an das Leben ihrer Mutter, auch als Magdalena Pichler beim „Hansschuster” in Glonn 1860 geboren, erinnert. Dass diese sich in verschiedenen „gehobenen” Haushalten in München Arbeit suchte, es zur Köchin brachte und letztlich Wirtin wurde, diese Absicht kann durchaus, in ihrem Glonner Leben den Ursprung ha­ben.
Von 1862 bis 1876 wurden in Glonn sechs neue Gasthäuser eröffnet. Auch in Schlacht gab es einmal drei. Mögen diese Gründungen auch durch die Einführung des Preußischen Gewerberechtes, bei dem nicht mehr das „Bedürfnis”, wie im Bayerischen zu prüfen war, be­günstigt worden sein, aber über allen Gründungen stand sicher das Bestreben Wirt oder Wirtin zu sein. Man verdiente nicht nur mehr, sondern war auch „wer” oder „mehr” – man wusste mehr und hatte mehr Einfluss.
Man war selbst möglicherweise nicht mehr Dienstbote, sondern hat­te welche. Warum sollte sich das nicht alles auch auf den Lebens­plan der Mutter ausgewirkt haben. Dass diese in München, nicht wie dargestellt vom Schmied Karl Christ, sondern höchstwahrscheinlich von einem Rittmeister schwanger wurde, passt natürlich auch in die­sen „Glücksplan” der natürlich nicht Eins zu Eins in die Rumplhanni übernommen ist, aber immer als Hintergrund spürbar ist.

Schlacht und Umgebung waren also nicht nur landschaftlich­architektonisch gesehen, sondern auch geschichtlich ein geeigneter Drehort. Auch die Schlachter und die Glonner standen einer „Rum­plhanni” wesentlich näher, als zum Beispiel den „Buddenbrooks” oder anderen Protagonisten. Wohl auch deswegen: Allein in der Ge­meinde Glonn gab es drei Anwesen mit dem Hausnamen „beim Rumpl”. Und so merkt man es auch im Film, das war das „ihre”.

Die „Rumplhanni” weiß was sie will. Sie ist schlau, ehrgeizig und wenn es sein muss auch frech. Sie ist, wie es im Roman heißt, ein „saubers, molligs Frauenzimmer mit festen Armen, feisten Backen und kohl-schwarzen Haaren”. Obwohl sie ein „Barasoiflickabankert” ist, verliert sie aber nie ihren Stolz und strotzt vor Selbstbewusstsein. Ihr Ziel: Etwas zu haben und „wer zu sein”.

Die Methoden, die sie dabei anwendet, sind zwar nicht immer vom Feinsten, aber die Hanni setzt sich durch. Diese Bauerndirn ist aller­dings keine für den Roman konstruierte Person. Sie war eine von vielen dieser Zeit, die oft mangels anderen Möglichkeiten bei den Bauern ihren Dienst taten, umso härter, als die Männer ins Feld zie­hen mussten.

Der Hintergrund für die Veränderung im Verhalten der Dienstboten war sicher auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, wie die Ein­führung der Sozialversicherung, Veränderungen im Aufenthaltsrecht und die Industrialisierung. Dies alles setzt mehr Freizügigkeit in Gang. Man musste also nicht mehr ein Leben lang fleißig, brav, treu und willig beim gleichen Bauern „dienen”, damit man im Alter eine Bleibe hat, wie es die Jahrhunderte vorher war.

Die Filmarbeiten in Schlacht begannen am 6. März 1981 und setzten sich mit den Münchner Szenen bis in den August fort. Die Deutsche Erstausstrahlung war dann am 12. November 1981.

Kurz zur Handlung: Die Rumplhanni (Monika Baumgartner) ist beim Hauserbauern im Dienst. Als der Sohn des „Hausers”, Simon, 1914 in den Krieg ziehen muss, behauptet die Hanni, sie erwarte ein Kind von ihm. Ihr Ziel war, so oder so, einmal Hauserbäuerin zu werden. Der „amtierende” Hauserbauer (Karl Obermayr) glaubt ihr nicht. Also überlistet sie den Senior in ihrer Kammer, um so ihr Ziel zu errei­chen. Der Schwangerschaftstrick gelingt nicht. Die Hauserin (Enzi Fuchs) „spannt” was. Letzlich muss die Hanni nicht nur von Haus und Hof gehen, sondern sich auch von ihren Träumen verabschieden. Sie landet in der „Stood” und beginnt ein neues Leben. Das ist nicht ein­fach. Auch das Gefängnis bleibt ihr nicht erspart. Diese Szene ist von Lena Christ sehr wirklichkeitsnah beschrieben. Warum? In ihrem wirklichen Leben hat sie das selbst erlebt.

Der Gefängniszelle im Roman gibt sie die Nummer 38. Auch das Hansschusteranwesen in Glonn hatte diese Hausnummer. Letztlich kann die Hanni über eine „Verdingerin” bei einer Gastwirtschaft an­fangen, lässt sich dort gut an und kann so den Metzger des Hauses, Hans, (Werner Rom) für sich gewinnen.
Der einzige Sohn der Wirtsleute (Walter Fitz und Marianne Lindner) bleibt im Krieg. Und so können Hanni und Hans die Wirtschaft über­nehmen. Die „Rumplhanni” hat ihr Ziel erreicht. Wenn man selbst in einer Gastwirtschaft aufgewachsen ist und auch in eine Metzgerei „hinein geschmeckt” hat, wie der Verfasser, kann man diese Gasthaus-und Metzgereiszenen nur mit höchstem Lob bewerten.

Die Romanvorlage wurde von Regisseur Rainer Wollfahrt in hervor­ragender Weise umgesetzt. Auch die Besetzung für den Glonner Teil wie oben schon geschildert, ergänzt mit dem „buckligen Stauden-schneidergirgl” Frithjof Vierock, der „Kollerin” Maria Singer, dem „Schmied” Willy Harlander, und der „Rumplwabn” Marie Stadler, hät­te nicht besser sein können. Aber auch, dass viele kleinere und Ne­benrollen durch Glonner „Originale” gespielt wurden, erhöht natür­lich für die Glonner die Attraktivität dieses Filmwerkes. Hinzu kommt das Glonner Umfeld: Ob der Urbanhof in Schlacht als „Hauserhof’, das alte „Stefflhaus” in Balkham als Unterkunft der „Rumplwabn” oder das Land zwischen Balkham und Kreuz, alles passt einzigartig. Und so bleiben Glonner Personen in ihren Häusern und in ihrer Um­gebung weit über ihre Zeit hinaus für die Nachwelt präsent.

Was eher selten sein dürfte: Dankes- und Lobeshymnen der Akteure und des Filmteams wie an die „echte” Urbanbäurin Marianne Rechl. Mit ihrer Herzlichkeit und ihren kulinarischen Angeboten hat sie sich sozusagen in die Herzen der Akteure gespielt. Und wenn ihr Karl Obermayr folgende Widmung hinterlässt: „Liebe Marianne! Dank Dir schee für alles, fürn Kaffee, fürs Dosei, fürn gmiatlichen Ratsch! Schee waars! Karl Obermayr” dann darf man durchaus annehmen, dass sich alle in Schlacht wohlgefühlt haben. Vielleicht war das auch ein wichtiger Beitrag für das Gedeihen eines so großartigen Werkes.

Josef Hofmiller schreibt in den Zwanzigerjahren über Lena Christ: „Wenn man in 100 Jahren wissen will, wie es damals in Oberbayern gewesen ist, werden diese ihre Bücher neben denen von Ludwig Thoma den Wert kulturgeschichtlicher Quellenwerke haben.”

Hätte Hofmiller diese Rumplhanni-Verfilmung gesehen, hätte er sie höchstwahrscheinlich ebenfalls als Quellenwerk mit aufgeführt. Schade! Aber auch der 1974 verstorbene Glonner Wolfgang Koller, er war wohl der bedeutendste Lena-Christ-Förderer, er hat die Dich­terin noch persönlich gekannt, wäre von dieser Verfilmung hell be­geistert gewesen.

Hans Obermair ist Heimatforscher in Glonn.