“Knedl und Kraut”

Dieser Text von ©Hans Obermair erschien am 15.6.2021 in der Ebersberger Zeitung

Ein Blick auf die Speisekarte bäuerlicher Familien anno dazumal

„Knell (Knödl) und Kraut – Null (Nudeln) und Kraut“ und so weiter. Diese monotone Sprechfolge konnte man nach getaner Arbeit in Dörfern durchaus hören, wenn den Jungen auf der Tenne das Tan­zen beigebracht wurde. Das Knell und Kraut – Null und Kraut war leicht im Dreivierteltakt zu sprechen und ersetzte den Musiker, der eben nicht überall zur Verfügung stand, zumindest nicht spontan.

Bis es aber Abend war, hatte man Knell und Kraut mindestens schon einmal zu sich genommen. Dieses „Paar“ war ein Hauptgericht in un­serer ländlichen Gegend.

Und so waren es auf einem größeren Bauernhof täglich an die hundert Knödel, die die Küche zu liefern hatte. Nach der Brennsuppe am Morgen und Knell und Kraut am Mittag, manchmal auch noch am Abend, wenn im Sommer auch manchmal als „Kalte Kuchl”, also kalt sauer gemacht.

Auch für Güte und Geschmack der Knödl galt das alte Sprichwort „Vo nix kimmt nix”. Weißbrot war zwar seltener, aber besser. Schwarzbrot, das auf den Höfen selbst hergestellt war, aber das, was am meisten verwendet wurde. Von wegen Brezen-, Speck- oder gar Leberknödel? Wichtig waren natürlich die Eier, die den Teig zu bin­den hatten. Und so gab es Bäuerinnen, die damit nicht sparten, aber auch die Anderen. Solches hat sich eben herumgesprochen, sodass dies für die Bewertung und den Ruf eines Arbeitsplatzes eine Rolle spielte.

Die „Herrschaft” aß an einem extra Tisch. Das Personal am großen, oft runden, in dessen Mitte der „Dreihax” stand, jenes Gestell, das für zwei Schüsseln übereinander Platz hatte. Und wenn auch noch Störleute, also zum Beispiel die „Noderinnen” oder der „Sodler” auf dem Hof waren, dann konnten es durchaus an die Zehn um den Tisch sein.

Nach dem Tischgebet begann der Oberknecht sich zu bedienen. Dann ging es je nach Rangordnung die Reihe um. Wie meine Mutter erzählte, sie war als Noderin Lehrdeandl und damit die Letzte, die mit dem Essen anfangen durfte. Manchmal ging sie deswegen hung­rig vom Tisch. Wenn der Oberknecht „den Löffel schmiss” war die Mittagspause beendete. Er, der die Knödel viertelweise in den Mund schob und immer satt vom Tisch ging.
Fleisch gab es selten. Für die „Herrschaft” sicher öfter. Von irgendwo her musste ja die Fleischsuppe kommen, die entweder eine „Rindene” war oder eine „G’ selchte, also vom Geräucherten stammte. In der Regel gab es Fleisch nur an Sonn- und Feiertagen und natürlich wenn der „Weihnachter” also die „Sau”, die zum Fest geschlachtet war, für genügend Fleisch sorgte.

Die einzige Konservierungsart war die „Sur” (Pökeln) und das Räu­chern, sodass, wenn es Fleisch gab, erst das frische, dann das Surfleisch und dann das Geräucherte an der Reihe war. Je nach Gegend gab es dann auch Nudel-, Schmalz- oder Kartoffel kost. Der jahres­zeitlich und regional unterschiedlich vorkommende „Tauch” (Kom­pott) aus heimischen Obst und Beeren, wurde natürlich zu allen möglichen Gelegenheiten gereicht. Durch das Dörren im Backofen zu „Kletzen” oder „Klouwan” konnte so die Saison verlängert werden.

Dass in Glonn auf den Obstbau Wert gelegt wurde, zeigt, dass schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vom Pfarrer ein „Pelzgarten” ange­legt wurde. Die Schulkinder hatten hier das „Abpelzen”, also das Ver­edeln der Obstbäume, zu lernen. Übrigens: Die Speisen wurden auch, wenn diese nicht mehr so „frisch” waren, mangels etwas Bes­seren, verzehrt. Bei einem Einwand mag es geheißen haben „sei net so hoakle (heikel)”. Da mag die heute bei uns noch gebräuchliche Re­dewendung „des war net schlecht”, anstatt „des war guat” herkommen.

So wie alle Rohstoffe für die bäuerliche Kost vom Hof kamen, zuge­kauft wurden nur Salz, Zucker und einige Gewürze, war natürlich auch das Kraut selbst erzeugt. Entweder im eigenen „Wurzgarten” am Haus, auf dem Acker oder im gemeinschaftlichen Krautgarten. Diese und die Krautfläche auf dem Acker nannte man auch „Gowas” oder „Gabeß”. Wie es bei Schmeller heißt, sei der „Gabeß” auch der Kopfkohl. Den gemeinschaftlichen Krautgarten, der in der Regel auch der Hasen wegen umzäunt war, legte man gerne in die Nähe eines Wassers. Hier hatte man Gelegenheit zum Gießen. So machten es auch einige Adlinger, die in der Nähe der Glonn, am Glonner Orts­rand, ihre Anlage hatten. Eben dort, wo man sowieso zur Kirche ging und sich gelegentlich mit Gemüse versorgen konnte. Schon 1810 war der Garten in einzelne Parzellen aufgeteilt und diese mit der Hausnummer versehen. Auch die Hausnummer des Pfarrers kam hier als einzige Glonner vor. So ist es nicht auszuschließen, dass die Adlinger Parzellen auf dem Grund des Pfarrers waren.

Was wurde in den Krautgärten, einer frühen Form der Schrebergär­ten, angebaut? Auf jeden Fall Weiß- und Blaukraut und „Dotschen” (Steckrüben), die zu Kraut eingemacht, aber auch zum beliebten „Dotschntauch” verwendet wurden. Das Weißkraut wurde fein ge­schnitten und dann in ein Fass mit Salz vermischt eingelegt. Gewür­ze wie „Kranawitt” (Wacholder) konnten das Ergebnis verbessern.

Damit die Milchsäuregärung zustande kam, musste das Kraut luft­dicht „eingetreten” und beschwert werden. So wird Sauerkraut auch heute noch gemacht. Ich erinnere mich jedenfalls, dass das „Eintre­ten” als Bub meine Aufgabe war. Beim Vater auf dem Arm über dem fließenden Wasser die Füße gewaschen, wurde ich zum Krautfass getragen und waltete meines Amtes. Immer wieder mit Salz be­streut, hatte ich am Ende klinisch reine Füße. Dass die Krautkultur keine rein bayerische, sondern eine deutsche ist, beweist, dass wir bei den Amerikanern den Spitznamen „die Krauts” haben, also die „Krautesset’. Was soll’s – uns hat das Sauerkraut gut getan, ebenso wie den Tausenden von Seeleuten, die es vor Skorbut bewahrt hat. Und so hat das Sauerkraut auch mit geholfen, die Welt zu entde­cken.

 

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