1923 Hyperinflation

Vor 100 Jahren, zu Beginn des Jahres 1923 nahm die seit Kriegsende stetig zunehmende Inflation an Fahrt auf. Anfang 1923 wurde aus der Inflation die Hyperinflation, mit der niemand mehr Schritt halten konnte. Täglich  vervielfachten sich die Preise;  so kostete ein simpler Putzlumpen im Juli 1923 bereits 7000 Mark und für ein Ster Brennholz musste der Lieferant 16 Milliarden Mark verlangen. Menschen, deren Einkommen aus Löhnen oder Gehältern bestand, die ihr Erspartes in Geld angelegt hatten oder die vielen Kriegsinvaliden, die eine Rente bezogen und nicht arbeiten konnten, verloren über Nacht alles. In den Städten, in denen Arbeiter und Taglöhner, Angestellte, Kriegsversehrte und kleine Selbständige ohne eigenen Grund und Boden zur Miete lebten, waren die Auswirkungen auf das tägliche Leben und die zunehmende existenzielle Not der Menschen viel dramatischer und augenfälliger als im ländlichen Raum.  Die ländliche Bevölkerung, zumindest die, die Grund und Boden besaß, oder ein Stück Land bewirtschaften konnte, kam mit den Auswirkungen der Inflation besser zurecht. Manch ein Kredit konnte sogar mit wertlosem Geld getilgt werden, und Nahrungsmittel, Holz und Wohnraum waren plötzlich ein beliebtes Tauschobjekt.  So bot z.B. Kaminkehrermeister Staimer der Gemeinde an, gegen mietfreies Wohnen alle gemeindlichen Kamine zu kehren, was die Gemeinde, allerdings widerruflich, gerne annahm. Das Reinigen des Schulhauses besorgte Frau Wiedemann, die  Ende November 1923 als  Stundenlohn 200 Milliarden Mark verlangte oder aber 1 Liter Milch. Leider ist nicht bekannt, wie die Gemeinde bezahlte, wahrscheinlich aber in wertlosem Bargeld, da auch die Gemeinde die Milch hätte kaufen müssen. Und so kämpfte die Gemeinde mit den täglich steigenden Ausgaben und den Einnahmen, die die Kosten des nächsten Tages nicht decken konnten. Auf dem Höhepunkt der Hyperinflation beschloss die Gemeinde ihre Gemeindebeamten, also den Bürgermeister, den Sekretär und den Gemeindediener in Naturalien zu bezahlen. Im Gemeinderat wurden keine anderen Themen mehr verhandelt als die Erhöhung der Umlagen, die Anpassung der erlaubten Zuschläge auf die sogenannte Friedensmiete und Kreditaufnahmen. Der Ausgaben in der Jahresrechung 1923 beliefen sich auf 380 Billionen 308 Milliarden und ein paar „zerquetschte“ Millionen.
Als im November 1923 die Rentenmark eingeführt wurde, gab es keinen Vermerk dazu im Gemeinderat, ohne Übergangsfrist wurde die neue Währung angenommen, die Ein- und Ausgaben normalisierten sich über Nacht. Bereits am 28.11. verlangte August Faßrainer, offensichtlich gut informiert, für einen Putzlumpen schon wieder angemessene 80 Pfennig, allerdings mit dem Vermerk „in Goldmark“.

 

 

 

 

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